Rezension

Die volle Romantik-Dröhnung

Herzkonfetti und Popcornküsse - Victoria Van Tiem

Herzkonfetti und Popcornküsse
von Victoria Van Tiem

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe mich zwar gelegentlich an der verklärten Weltanschauung der Protagonistin gestört, aber im Großen und Ganzen habe ich mich gut unterhalten gefühlt.

Bei "Herzkonfetti und Popcornküsse" haben mich sowohl Titel als auch Leseprobe geködert, die sofort mein Interesse geweckt haben. Bereits die ersten Seiten haben einen umfassenden Eindruck von Kenzi, ihrer Familie und ihrer internen Dynamik vermittelt. Kenzi ist definitiv das, was man gemeinhin als "schwarzes Schaf" bezeichnet. Egal, was sie macht, es ist nie gut genug, wird nicht gewürdigt oder gerät nach kurzer Zeit schon wieder in Vergessenheit. Permanent wird ihr das Scheinwerferlicht von ihrem Bruder und dessen Ehefrau gestohlen. Man kann eigentlich nur Mitleid mit ihr haben. Aber wie wir alle wissen, sind es die Underdogs, die am Ende solcher Geschichten das Lachen haben werden. Umso mehr habe ich mich auf exakt diesen Moment gefreut (und er kam tatsächlich)! Ungerecht fand ich ihre Behandlung besonders im Hinblick darauf, dass sie eigentlich in ihrem Gebiet (Creative Director in einer Werbeagentur) sehr erfolgreich und entsprechend kreativ ist - was natürlich keine so noble Berufung wie Arzt ist. Mich persönlich regt es immer extrem auf, wenn Abstufungen bzw. Unterschiede bei der Anerkennung von Fähigkeiten gemacht werden. Jedes Individuum hat nunmal andere Talente und Interessen. Wäre ja langweilig, wenn wir alle gleich wären, oder? Nun gut, das Thema steht hier nicht zur Debatte, also zurück zum Wesentlichen.

Was mich an Kenzi beeindruckt hat, war ihre Direktheit bzw. Offenheit. Sie macht keinen Hehl daraus, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlt (auch wenn ihrer Familie das egal ist) bzw. sie mit etwas nicht zufrieden ist und scheut sich nicht vor Konfrontation. Sie packt die Dinge an, auch wenn sie ihr etwas Angst einjagen. Im Kontrast dazu steht ihr ausgeprägter Sinn vor Romantik (fast schon Kitsch) und die daraus resultierende utopische Vorstellung von einer idealen (nicht zu sagen: märchenhaften) Beziehung. Meistens mochte ich diese widersprüchlichne Persönlichkeitsmerkmale an ihr, gelegentlich hatte ich damit aber auch meine Probleme (worauf ich später zu sprechen komme).

Was ihren Verlobten Bradley betrifft, war ich natürlich nicht ganz so begeistert. An sich ist er schon okay, aber zuweilen hätte ich ihn am liebsten einen Tritt in den Hintern verpassen wollen. Zwar behandelt er Kenzi nicht, als wäre sie ihm unterlegen oder Ähnliches, aber dafür scheint er absolut nicht zu verstehen, warum Kenzi sich von ihrer Familie mies behandelt fühlt. Das ist jedoch nicht der einzige Makel, der sich im Laufe der Zeit an ihm offenbart hat. Eine wirkliche Abneigung konnte ich jedoch letztlich nicht gegen ihn entwickeln, wenngleich er nicht zu den Leuten gehört, mit denen ich gerne mal einen Kaffee trinken würde.

Bei Shane dagegen war es genau andersherum. Zu ihm hat sich mein parasoziales Verhältnis stetig verbessert. Bei seinem ersten Auftritt musste ich nämlich erstmal die Mine verziehen. Er kam meines Erachtens arrogant und etwas rücksichtslos rüber. Es hat einige Kapitel gedauert, bis er in meiner Gunst gestiegen ist. Meinen Geschmack eines romantischen Helden entspricht er zwar nicht, aber viele Leser/innen werden sicherlich angesichts seiner Gesten und Worte verzückt sein.

Fantastisch war für mich wiederum, dass ich in diesem Roman endlich mal wieder so etwas wie eine Hassfigur hatte, auf die ich meine negativen Gefühle projizieren konnte - wider Erwarten war das nicht Bradley. Ich persönlich bin nämlich der Meinung, dass ohne einen Antagonisten eine Story schnell Gefahr läuft, fad zu werden (natürlich nicht immer). Abgesehen von ihrer Familie hat sich Kenzi also noch gegenüber einer anderen Person zu behaupten, wodurch in der Geschichte jede Menge los gewesen (Hochzeitsvorbereitungen, damiliäre Missstimmungen, berufliche Herausforderungen usw.) ist. Die Spannung ist also nie gänzlich auf einen Tiefpunkt gesunken, sondern durch kleine Wellen ist ein gewisses Niveau aufrecht erhalten geblieben.

Jetzt kommt allerdings das große "Aber": Selbst nach reiflicher Überlegung bin ich mir noch nicht sicher, wie ich zu dem "Liebe wie im Film"-Konzept stehen soll. Einerseits war die Nachstellung der romantischen Filmszenen eine ausgesprochen niedliche, wundervolle, nahezu rührende Geste, denn - sein wir ehrlich - ein Großteil der (weiblichen) Bevölkerung hat sich mindestens einmal vorgestellt, selbst die Hauptfigur in einer solchen Szene zu sein. Toll fand ich auch die Auswahl der Romantic Comedies, da zwar absolute Klassiker dabei waren, aber auch ein, zwei Titel, die mir bisher unbekannt waren. Andererseits stößt es mir ein bisschen sauer auf, dass Kenzi permanent ihr "reales" Liebesleben mit dem in Filmen vergleicht und daher unzufrieden ist. Auf Menschen mit einem solch verzerrten Weltbild reagiere ich eher allergisch und mehr als ein Kopfschütteln und hochgezogene Augenbrauen habe ich normaleweise nicht für sie übrig. Positiv ist daran nur, dass sie sich wenigstens im Klaren ist, dass sie das "Verliebtsein (wie) im Film" der alltäglichen (und damit weniger dramatischen bzw. romantisch-kitschigen, dafür aber vergleichsweise bodenständigeren, "langweiligeren") Liebe vorzieht. Tagträumereien sind das eine, wenn sie zum Lebenswunsch werden finde ich das jedoch befremdlich. Auch wenn Kenzi (bzw. die Autorin) betont, dass es ihr nicht um eine Entscheidung zwischen zwei Männern geht, sondern darum, welche Person Kenzi ist bzw. sein will, wollte sich dieses Gefühl nicht ganz bei mir einstellen.

Fazit

Die Konstellation Protagonistin-Verlobter-Ex ist zwar nicht neu, sie wird aber von Victoria van Tiem in eine ansprechende, unterhaltsam bis aufregende Hülle gepackt. Das Nachstellen verschiedener romantischer Filmszenen ist ein cleverer Aufhänger, der Erinnerungen wachruft, Emotionen heraufbeschwört und die Fantasie beflügelt. Dort draußen gibt es jede Menge Frauen, die zu gerne einmal mit den Heldinnen ihrer Lieblingsfilme die Plätze tauschen würden. Das "Liebe wie im Film"-Konzept hatte zwar auch seine Schattenseiten, allerdings werden viele über diese gut hinwegsehen können.

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