Rezension

Die Weissagung der deutsch-französischen Feindschaft?

Die 500 Millionen der Begum - Jules Verne

Die 500 Millionen der Begum
von Jules Verne

Bewertet mit 1.5 Sternen

Der Franzose Dr. Sarrasin ist Erbe eines gigantischen Vermögens samt Adelstitel aus Indien. Er scheint alleiniger Nachfahre zu sein, doch schon bald betritt ein Deutscher, Professor Schultze, die Bühne und behauptet, er sei der rechtmäßige Erbe. Angetrieben vom Eifer, ein unwürdiger Normanne könne diesen Schatz verschleudern und nicht hehren Zielen zugute kommen lassen, beharrt er auf das Geld. Der Franzose aber sieht die gewaltige Summe und ist zum Teilen bereit.

Letztendlich ziehen beide zufrieden ihrer Wege und verwirklichen ihre Projekte. Der Franzose erbaut in Kalifornien eine Musterstadt, in der die Bewohner gut, sauber und gebildet leben können, eine Art neue Gesellschaft soll entstehen. Der Deutsche aber ist nicht so zufrieden wie es scheint und erbaut ganz in der Nähe eine Stahlstadt, mit dem Ziel, Waffen zu fertigen, die Dr. Sarrasins Werk zur Strecke bringen soll.

Lange Rede, kurzer Sinn, Professor Schultze scheitert mit seiner Vernichtungswaffe, die er versehentlich ins All schießt (das ist der SF-Moment) und bringt sich beim Tüfteln neuer Techniken leider selbst um. Dr. Sarrasins Schäflein verhalten sich absolut vorbildlich angesichts drohender Gefahr von ihrem Nachbarn und das schweißt die Menschen natürlich nur nochmehr zusammen, weil sie jetzt auch "kriegserprobt" sind (dabei haben sie keinen Schuß abgegeben). Professor Schultzes Schergen aber sind führerlos und zerstreuen sich verarmt in alle Winde.

Der Held in dieser Geschichte, ein Kommilitone von Sarrasins Sohn und Freund der Familie, bekommt die Hand der Tochter zur Entlohnung seiner tapferen Taten und alle sind widerspruchslos glücklich.

Nun mag dieses Werk der Zeit (Achtzehnhundertschlagmichtot), dem damaligen politischen Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, und dem absolut inakzeptablen Frauenverständis geschuldet sein, aber eine Stelle im Buch hat mir dann doch die Tränen in die Augen getrieben, sodass ich sie hier fast zitieren möchte:
Sie (die Zukünftige unseres Helden):" Die Männer haben es gut, sie können handeln und sich nützlich machen. Ihnen fällt das Warten weniger schwer als uns armen Frauen, die wir zu nichts taugen!"
Unser (verliebter) Held:" ... Aber ich bitte sie!...Für wen mühen sich denn sonst die tapferen Männer ab,..... wenn nicht für ihre Mütter, ihren Frauen, ihren Bräuten die Ruhe und das stille Glück wiederzugeben. Was verleiht ihnen den Feuereifer, woher stammt er, wenn nicht von euch Frauen, wem sonst könnten sie ihre unglaubliche Opferfreudigkeit zuschreiben....."
Unglaublich, ja, örks!
Da kräuseln sich mir leider die Fingernägel (die manikürten, weil ich ja meinen Gatten antreiben will). Mein tapferes feministisches Herz hätte diese Hürde in der Geschichte vielleicht erklommen, aber diese undifferenzierte Darstellungen der Völker, Deutsch gleich brutal und kriegerisch, Französich gleich feingeistig und menschenfreundlich, hat einen schalen Geschmack hinterlassen, der die Idee verschiedener Gesellschaftskonstrukte und ihre Resultate, leider in den Hintergrund gedrängt hat.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 13. Juni 2019 um 22:59

Tscha nun, er ist schon uralt, der gute Jules.

Paperboat kommentierte am 14. Juni 2019 um 08:28

Mir stellt sich die Frage, ob Frauen von sich tatsächlich so gedacht haben, oder ob irrigerweise der Autor seiner weiblichen Figur (und stellvertretend allen Frauen seines gesellschaftlichen Umfeldes dieser Zeit) seine eigene Auffassung in den Mund gelegt hat.

Emswashed kommentierte am 14. Juni 2019 um 09:19

Die pathetische Schreibweise Vernes spricht für letzteres, manche Äußerungen meiner Mutter und Großmutter lassen ersteres befürchten.

Paperboat kommentierte am 14. Juni 2019 um 12:36

Also scheint sich beides zu bedingen.. Huhn und Ei.

Emswashed kommentierte am 14. Juni 2019 um 19:43

Ha! Das Huhn ist nur ein Trick des Eis, um sich zu vermehren. ;-))

Paperboat kommentierte am 15. Juni 2019 um 11:19

Mmmhhh, Eis!