Rezension

Die Welt der chassidischen Juden

Die Erwählten
von Chaim Potok

Bei einem Baseballspiel begegnen sie sich zum ersten Mal: Daniel Saunders, der Sohn eines chassidischen Rabbis, und Reuven Malter, dessen Vater ebenfalls ein gläubiger Jude und Gelehrter ist, der aber seinen Sohn liberal erzieht. Die beiden Jungen stehen sich als Gegner gegenüber, und Danny ist fest entschlossen, seine Mannschaft zum Sieg zu führen und damit die Überlegenheit ihrer Religionsauffassung zu beweisen. Aus erbitterten Gegnern werden die Jungen zu Freunden, die gemeinsam die Thora studieren. Reuven ist fasziniert von dem hoch begabten Danny, aber er kann dessen Lebenswelt nicht verstehen. Insbesondere Rebbe Saunders und seine Erziehungsmethode sind für ihn erschreckend und abstoßend. Die beiden Jungen werden zu Männern und müssen ihren eigenen Weg finden, und das im New York der Vierzigerjahre, am Ende des Zweiten Weltkriegs und mitten in den Diskussionen um Zionismus und einen eigenen jüdischen Staat.

Dies ist ein Entwicklungsroman, der gleichzeitig einen Einblick in eine fremde Welt gibt. Wenn schon Reuven, der selbst ein gläubiger Jude ist, Schwierigkeiten hat, Dannys Welt zu verstehen, wie muss es dann erst einem nicht-jüdischen säkularen Leser von heute gehen! Fremdartig, aber doch faszinierend finde ich diese Lebenswelt. Und einen besonders starken Eindruck hat auf mich Reuvens Vater David gemacht, dem es gelingt, niemanden zu verurteilen und der seinen Sohn dazu erzieht, genau hinzusehen und hinzuhören und immer wieder darauf hinweist, dass die Dinge und auch die Menschen nicht immer sind, was sie zu sein scheinen. Und so habe ich mit Reuven mitgefühlt, aus dessen Warte erzählt wird, und versucht, mich auch in Danny einzufühlen, auf dem hohe Erwartungen lasten und der lieber einen anderen als den vorgesehenen Weg einschlagen möchte. Und zuletzt gibt es dann tatsächlich auch noch einen erhellenden Einblick in das Denken und Fühlen des Rebbe Saunders.

Ein Buch, das mir nicht nur die fremde Welt der Chassidim näher gebracht hat, sondern mich auch mahnt, mein eigenes Verhalten zu überdenken. Eine anspruchsvolle Lektüre, die mir viel gegeben hat.