Rezension

Die Welt hat sich weiter gedreht.

Streulicht - Deniz Ohde

Streulicht
von Deniz Ohde

Bewertet mit 2 Sternen

Streulicht ist nicht ein Buch über das nicht durchlässige Schulsystem. Schließlich konnte die Protagonistin doch bis zum Abitur vordringen. Wenngleich unter großen Schwierigkeiten. In den USA wäre es nicht möglich gewesen.

Streulicht handelt von einem Ort in der Nähe Frankfurts, der vom sogenannten Industriepark dominiert wird, wo Arbeiter ohne besondere Sicherheitsmaßnahmen in Chemiedämpfen arbeiten und krankwerden. In den Fabriken schuften Gastarbeiter, die inzwischen keine mehr sind, zusammen mit anderen ungelernten Arbeitern. 

 Auch die Eltern der namenlosen Erzählperson, einem türkischen Mädchen, gehören zu den Menschen, die in den Vierteln mit den ärmlichen Werkswohnungen leben. Sie ist die dritte Generation. Tatsächlich schafft sie es trotz Mobbing und prekären Lebensumständen, der Vater gewalttätiger Alkoholiker und Messi, die Mutter hat aufgegeben und stirbt relativ früh, den Bildungssprung zum Abitur zu bewältigen. Und jetzt hätte es interessant werden können. Wie stellt die dritte oder sogar die vierte Generation sich an? Wie verkraftet sie Außenseitertum, häusliche Gewalt und andere Kalamitäten, wie wird sie leben, was wird sie ihren Kindern mitgeben?

Leider beschäftigt sich die Autorin damit nicht die Bohne. Sie erzählt rückwärtsgewandt. Sie erzählt ihre Kindheit. Sie erzählt von den Eltern. Dem Großvater. Obwohl das übliche „wir fuhren in den Ferien in unser wirkliches Nachhause“ völlig fehlt, bleibt die Erzählerin im Gestern stecken. Langwierige Passagen aus der Schulzeit machen den Roman langweilig. Alles, was ihn an die Jetztzeit anbinden könnte, wirkt lethargisch.

Diese Geschichte ist ja nicht schlecht, sie kommt nur zu spät. Denn diese spezielle Migrations-Geschichte ist auserzählt. Wir kennen sie aus unzähligen anderen Berichten und Romanen. Und Filmen. Ich habe ständig Bilder aus dem Film "Almanya – Willkommen in Deutschland", einem Film aus dem Jahr 2011 vor Augen, der freilich auf der lieblichen Seite steht.

Man hätte spezifischere Einzigartigkeit gebraucht, damit der Roman trotzdem fesseln würde. Eine solche Einzigartigkeit ist nicht gegeben. Die Icherzählung kann sie auch nicht leisten. Es hätte einer anderen Erzählart bedurft, um mehr herauszuholen als eine, zudem recht langweilige Milieustudie. 

Was wirklich interessiert, fehlt. Nämlich das Heute und das Morgen. 

Fazit: Gut geschriebene, aber alltägliche und vor allem langweilige Milieustudie von gestern.. 

Auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, 2020
Kategorie: Belletristik.
Verlag: Suhrkamp, 2020