Rezension

die Welt von Simon Serrailler

Phantomschmerzen - Susan Hill

Phantomschmerzen
von Susan Hill

Susan Hill, die Granddame des englischen Kriminalromans, hat mit »Phantomschmerzen« den neuesten Roman mit ihrem Protagonisten Simon Serrailler vorgelegt. Das kriminelle Element hält zwar die Spannung von vorne bis hinten, die Handlung geht aber über andere Themen weit hinaus.

Die Autorin entführt die Leser in eine kleine Gemeinde auf eine der schottischen Inseln an der Westküste und ins bezaubernde Südengland.

Detective Chief Superintendent Serrailler hat einen Arm verloren. Er fühlt sich nur noch wie ein halber Mensch. In der südenglischen Kathedralenstadt Lafferton hat er seine Verwandten, Freunde und Kollegen. Aber er flieht zur Therapie auf seine geliebte Insel Taransay. Auf Taransay gibt es nur ein Dorf mit verstreut liegenden Cottages und einen einzigen Pub. Hier jobbt auch Sandy, die vor einigen Monaten auf die Insel gekommen und erstaunlich gut von den Einheimischen akzeptiert worden war.

In Serraillers Schmerz, ob er überhaupt noch zu etwas nütze ist und ob er seinen beruf bei der Polizei noch wird ausüben können, fühlt er sich zur munteren Sandy hingezogen. Doch dann ist sie plötzlich verschwunden. Niemand auf der Insel für sie gesehen haben. Niemand kann erklären, wo sie abgeblieben sein kann. Bis dann die Leiche am Ufer auftaucht, welche zweifelsfrei Sandys Leiche ist. Da die Polizei momentan viel zu tun hat und erst in ein paar Tagen auf der Insel sein kann, wird Serrailler gebeten, schon mal in Sachen Sandy zu ermitteln, weil er doch Polizist und zufällig schon auf der Insel ist.

Susan Hill führt uns in die Welt von Simon Serrailler, ohne dass man die vorhergehenden Bände gelesen haben müsste. So ist dieser Roman auch eher ein Roman mit kriminellen Elementen als ein reiner Krimi, bei dem es ausschließlich um Ermittlungen geht. Vielmehr möchte Hill uns über die Psyche eines Menschen erzählen, der ganz plötzlich aus seinem üblichen Leben gerissen wird und nun anfangen muss, sich neu zu orientieren. Das macht sie über die Bezugspersonen ihres Protagonisten. Die Familie seiner Schwester spielt dabei eine große Rolle, aber auch die Freunde auf der einsamen Insel. Ein wunderschönes, wiederkehrendes Moment ist der kleine Robbi, der sich für den fehlenden Armen von Serrailler mehr interessiert als für alles andere. Allzu gerne fordert er den großen Mann heraus, ihm doch mal die Schnürsenkel zu binden.

Jede Figur dieses Romans scheint wie im richtigen Leben ihr eigenes Päckl zu tragen. Überall gibt es Konflikte. Immer wieder wird der Protagonist um Hilfe gebeten. Dabei hat er seine eigene Psyche noch gar nicht im Griff.
Neben den menschlichen Beziehung wird der Rauheit, Abgeschiedenheit und Einsamkeit der schottischen Inseln viel Raum gegeben und sie können dem Leser ans Herz wachsen. Es reizt, sich in dieser Einsamkeit den Wind um die Nase wehen zu lassen und eine tiefe Brise in die Lunge zu ziehen. Es reizt, eine liebenswürdige, in sich geschlossene Gemeinschaft kennenzulernen.

Ich habe mich in diese Roman sehr wohl gefühlt und finde es toll, in eine neue kleine Welt eingetaucht zu sein. Einen frühen Roman dieser Autorin, der gerade neu erschienen ist, habe ich hier besprochen.

© Detlef Knut, Düsseldorf 2020