Rezension

Die Zeit kann selbst die tiefsten Wunden heilen.

Sommer der Versöhnung - Darcie Chan

Sommer der Versöhnung
von Darcie Chan

Die Zeit kann selbst die tiefsten Wunden heilen.

„Ermöglicht Liebe wirklich Vergebung, oder erschwert sie diese nur?“

Diese Frage stellte sich die Witwe Josephine „Josie“ Collard diSanti vermutlich unzählige Male. Sie hatte es niemals aufgegeben, um eine Versöhnung zwischen ihren fürchterlich zerstrittenen Töchtern Rose und Emily zu kämpfen. Die Ursache für deren Entfremdung war dramatisch und tiefgreifend. Während die stets auf das Äußerliche bedachte Rose nun mit ihrem Ehemann Sheldon und ihrem neunjährigen Sohn Alex in einem luxuriösen Apartment an der Park Avenue in New York lebt, führt ihre Schwester Emiliy ein Nomadenleben. Sie ist in jeder Hinsicht das völlige Gegenteil zu ihrer überheblichen und aufbrausenden Schwester Rose. Emily liebt bequeme Kleidung, ist auch ohne Make-up und modische Ausstaffierung eine faszinierende Schönheit, und liebt handwerkliche Tätigkeiten. Ihr Beruf wurde zu ihrer Leidenschaft - Emiliy renoviert viktorianische Häuser, ist bodenständig, nach einigen gescheiterten Beziehungen jedoch ziemlich einsam. In Gus, einem gutmütigen Hund aus dem Tierheim, fand sie einen treuen Begleiter. Aufgrund ihrer unüberwindlichen Differenzen haben Rose und Emily mit ihrer geschwisterlichen Beziehung bereits abgeschlossen, keine der beiden ist nun noch dazu bereit, auf die andere zuzugehen. Als die Nachricht vom Ableben ihrer Mutter eintrifft, stehen sich die beiden Schwestern nach vielen Jahren anlässlich der Gedenkfeier in Mill River zum ersten Mal wieder gegenüber. In ihrem Testament startet Josephine Collard diSanti einen allerletzten verzweifelten Versuch, ihre über alles geliebten Töchter zu versöhnen. Sie macht einen zweimonatigen Aufenthalt von Rose und Emily in ihrer Heimat Mill River zur Bedingung, damit sie das ansehnliche Erbe antreten können. Doch die verfeindeten Schwestern müssen nicht nur in zwei nebeneinanderstehenden Häusern leben, sondern gemeinsam Aufgaben lösen. Eine scheinbar nicht zu bewältigende Herausforderung, bei der jede Menge Ärger vorprogrammiert ist. Doch manchmal kann selbst eine aussichtslos scheinende Situation zu etwas Großem führen…

Dacie Chan erzählt diese tragische Familiengeschichte in einnehmendem Schreibstil, begleitet mit tiefen Emotionen. Bei ihren Ausführungen wechselt sie stets zwischen zwei Erzählsträngen. Ihr Handlungsstrang in der Gegenwart startet mit dem Tag von Josies Beerdigung im Jahr 2013 und schildert die nachfolgenden Ereignisse. In einem zweiten Handlungsstrang versetzt die Autorin ihre Leser zurück ins Jahr 1983, als die junge Witwe Josie mit ihren kleinen Töchtern nach Mill River kommt. Die Vergangenheit wird nach und nach aufgerollt und man erhält tiefe Einblicke in das Leben der Familie diSanti in Mill River, erfährt von schmerzlichen Ereignissen und darf die beiden so unterschiedlichen Mädchen näher kennenlernen.

Rose und Emily nehmen als Protagonisten den größten Raum ein, doch in den vielen Rückblicken wird auch dem Leben und der persönlichen Entwicklung von Josephine Collard di Santi große Aufmerksamkeit zuteil. Sämtliche Charaktere sind wundervoll ausgearbeitet, sie wirken lebendig und sehr überzeugend. Zu meiner großen Freude traf ich auf viele bekannte Figuren aus dem Vorgängerband „Sehnsucht nach Mill River“. Es war schön, dass der betagte Priester Father Michael O’Brien, die etwas einfältige, aber äußerst liebenswürdige Daisy Delaine und das Ehepaar Fitzgerald ebenfalls zur Handlung beitrugen. Dem örtlichen Polizeibeamten Kyle Hansen und seiner Beziehung zu Claudia Simon wurde sogar eine etwas größere Rolle zuteil.

„Sommer der Versöhnung“ sorgte mit dem gewichtigen Thema der Vergebung und durch emotionsgeladene Szenen für ausgezeichnete Unterhaltung. Ich bedauerte es, mich nach der letzten Seite von den liebenswürdigen Einwohnern dieser netten kleinen Stadt in Vermont verabschieden zu müssen und würde mich über eine Fortsetzung dieser Reihe sehr freuen. Ein wunderschönes Leseerlebnis, welches ich ebenso wie den Vorgänger „Sehnsucht nach Mill River“ nur allzu gerne weiterempfehle.