Rezension

Die zweite Haut

Deine kalten Hände - Han Kang

Deine kalten Hände
von Han Kang

Es ist wirklich keine neue Erkenntnis, dass wir in einer Welt der Äußerlichkeiten und des schönen Scheins leben. Wie es dabei im Inneren des Menschen aussieht, gibt niemand gern preis. Noch extremer mag es in der asiatischen Welt sein: Welche Gefühle verbergen sich wirklich hinter einem Lächeln?

Als guter Beobachter erfährt Jang Unhyong bereits als Kind schmerzlich, was Menschen  hinter einer solchen lächelnden Maske verstecken können. Seitdem ist er bestrebt, die offizielle, gesellschaftsfähige Hülle von Menschen zu durchschauen, die Geheimnisse dahinter zu entdecken. Als Bildhauer entwickelt er schließlich das „Lifecasting“, eine Methode, Gipsabdrücke von Menschen herzustellen, die besonders naturnah und dicht an der körperlichen Realität sind.

Aus zwei unterschiedlichen Erzählperspektiven schildert die Schriftstellerin Han Kang von Jang und seiner Beziehung zu zweien seiner Modelle, die äußerlich völlig gegensätzlich erscheinen, aber beide als Kinder Dinge erlebten, die sie zu Außenseitern machten. In einer Art Tagebuch beschreibt Han die ständigen Bemühungen des Künstlers, ein Abbild von den Frauen zu nehmen, die Gipshülle des Erscheinungsbildes als leere Hülle zu präsentieren und zu dem wahren Wesen der Frauen zu gelangen: seine Absicht ist, „Menschen die verletzliche Hülle abziehen, um in ihr Inneres zu sehen“. Dabei bleibt sie eher sachlich beobachtend und kühl. Es ist verwirrend, wie wenige Emotionen ihr Roman aufkommen lässt. Vielleicht liegt es daran, dass viele Erkenntnisse zu oft wiederholt und erläutert werden? Oder zu offensichtlich sind? Zu den Protagonisten besteht ebenfalls viel Distanz. Gewollt? Wie auch immer, es bleibt ein eher unterkühltes Leseerlebnis.