Rezension

Diese Geschichte schmerzt beim Lesen

Jägerin und Sammlerin - Lana Lux

Jägerin und Sammlerin
von Lana Lux

Bewertet mit 4 Sternen

Von Lana Lux las ich vor einigen Jahren ihren Debütroman „Kukolka“, der mir nachhaltig in Erinnerung geblieben ist und mich darum gleich neugierig auf ihr erst kürzlich erschienenes Buch „Jägerin und Sammlerin“ machte. Erneut hat sich die Autorin ein Thema ausgesucht, das nah geht, das aufwühlt und das betroffen macht.

„Alisa studierte die Internetseiten der Kunsthochschulen und war eigentlich entschlossen, sich zu bewerben oder einen Mappenkurs zu machen, doch sie tat es nicht. Sie hatte keine Zeit. Sie ging jobben und kämpfte die restliche Zeit gegen ihren Körper.“ (S. 42)

Alisa ist zwei Jahre alt, als sie mit ihren Eltern die Ukraine verlässt, um nach Deutschland zu ziehen. Aber das Glück lässt auch im neuen Land auf sich warten: Alisas schöne Mutter ist weiter unzufrieden, möchte mehr, als der viel ältere Vater ihr bieten kann. Die Tochter, die sich so sehr um ihre Liebe bemüht, bleibt ihr fremd. 15 Jahre später ist Alisa eine einsame junge Frau, die mit Bulimie und Binge-Eating kämpft. Mia, wie sie ihre Krankheit nennt, ist immer bei ihr und dominiert sie zunehmend.

„Es war ein seltsames Spiel geworden, welches sie jede Woche nach genau dieser Nachhilfestunde spielte. Sie nahm sich die Kleidungsstücke in vier verschiedenen Größen und probierte sie in der Kabine nacheinander an. Sie konnte es jedes Mal kaum glauben, dass sie die Größe vierzig nicht mehr ausfüllte und auch die achtunddreißig eher locker saß, die sechsunddreißig passte meistens, aber die vierunddreißig war unvorstellbar klein und passte nie. Und solange das so war, wusste sie, dass sie fett war.“ (S. 49)

Lana Lux erzählt hellwach und mit großer Intensität von Alisa und ihrer Gefühlswelt, ihrem Erleben und ihrer fehlgeleiteten Selbsteinschätzung. Aber sie schildert auch die Geschichte von Mutter und Tochter, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Sie verbindet lediglich der Albtraum einer gemeinsamen Lebensgeschichte, die geprägt ist von Lieblosigkeit und Unverständnis für einander. Diese Geschichte schmerzt beim Lesen regelrecht und auch wenn man in der zweiten Hälfte dieses Buches überwiegend die Lebensgeschichte der Mutter erfährt, die zum Teil ihr Denken und ihr Handeln erklären kann, so schafft es dennoch kein Verständnis für die Person, die ihrerseits ein Produkt und Opfer ihrer Lebensumstände ist, auch wenn sie sich selbst im Roman als ‚Jägerin‘ betitelt.

Eine komplexe Geschichte mit vielen psychischen Fehlleitungen, die bei allen beteiligten Personen viel Unheil auslösen, und von denen man sich beim Lesen wünscht, dass sich die Probleme in Luft auflösen und zu einem Happy End führen. Aber Lana Lux gibt diesem Roman ein authentisches Ende und überrascht obendrein noch mit einem Verweis ins reale Leben. Unweigerlich fragt man sich nach dem Lesen dieses Buches, wie viel Fiktion und wie viel Autobiografisches womöglich in diesem lesenswerten Roman der Autorin, die als Kind aus der Ukraine mit ihren Eltern nach Deutschland kam und vor 10 Jahren selbst an einer Essstörung litt, steckt. Die Antwort darauf kennt nur Lana Lux selbst.