Rezension

Dieser Roman bekommt eine absolute Leseempfehlung!

Glücksdrachenzeit - Katrin Zipse

Glücksdrachenzeit
von Katrin Zipse

Nellie ist auf der Suche nach ihrem Bruder – und findet das Leben …

Die fast 16-jährige Nellie und ihr älterer Bruder Kolja waren in ihrer Kindheit unzertrennlich. Kolja kümmerte sich liebevoll um seine kleine Schwester, wenn die wieder einmal mitten in der Nacht schlaflos durch den Flur stromerte. In diesen Momenten erzählte er ihr Geschichten, bis sie der Schlaf übermannte. Doch seit dieser Zeit hat sich einiges zwischen den Geschwistern verändert. Der einst so liebevolle Bruder ist plötzlich abweisend, in sich gekehrt und macht auch vor Drogen nicht halt. Nellie verletzt Koljas Verhalten, doch als er eines Tages heimlich seine Sachen packt und geht, bricht es ihr das Herz.

Doch Nellie kann und will seinen Weggang nicht akzeptieren. Nachdem sie von seinem bestem Freund Viktor das Ziel der Reise erfahren hat, bereitet sich sie auf das Abenteuer ihres Lebens vor, denn für sie steht fest, dass sie ihrem Bruder wieder nach Hause holen wird – auch wenn sie dafür nach Avignon trampen muss. Die Reise verläuft allerdings ganz anders, als sich Nellie das vorgestellt hat. Neben der Suche nach Kolja beschäftigen Nellie nämlich noch ganz andere Dinge: Was hat es zum Beispiel mit Leni auf sich, von der ihre Mitfahrgelegenheit Miss Wedlock immer zählt, und wird sie je wieder von Elias hören, wenn die beiden nicht mehr gemeinsam bei Miss Wedlock im Auto sitzen?

Man übernimmt Verantwortung, wenn man jemanden rettet. – Seite 33 –

Ein Roman, der alles bietet, was auch das Leben bereithält …

Glücksdrachenzeit von Katrin Zipse lässt sich ohne Zweifel als Jugendroman bezeichnen, doch versteckt sich in ihm noch so vieles mehr, sodass es schwer wird, diesem Roman mit ein paar Zeilen oder einer schnöden Einordnung in ein Genre tatsächlich gerecht zu werden. Hinter der Geschichte des Roadtrips verbergen sich nämlich menschliche Schicksale, die dem Leser zwischenzeitlich die Kehle zuschnüren, wenn nicht sogar ein paar Tränen in den Augen treiben. Andererseits zeichnet sich der Roman jedoch auch immer wieder durch Leichtigkeit und keine Momente der Glückseligkeit aus – was gibt es schließlich Schöneres als die ersten zarten Blüten einer ungewöhnlichen Freundschaft. 

Die spannenden Geschichten rund um die Charaktere des Romans tragen auch dazu dabei, dass man als Leser nur so durch die Seiten fliegt, denn schließlich erfahren wir, was es mit dem geheimnisvollen Glücksdrachen auf sich hat, warum Leni und Miss Wedlock auch im hohen Alter unzertrennlich sind und natürlich auch, wieso Kolja sich von seiner Familie abgewandt hat. Er ist übrigens auch der Charakter, mit dem ich mich am meisten auseinandersetzen musste. Ich hätte ihn so wahninnig gerne nicht gemocht und für seine Taten verurteilt, aber leider konnte ich ihn trotz seiner idiotischen Aktionen tief im Inneren verstehen. 

Was er sagt, liegt jenseits von Schmerz und Eifersucht. Es ist ganz einfach eine Tatsache für ihn. Und ich weiß plötzlich, dass er recht hat und was das bedeutet: Wir haben unterschiedliche Leben gelebt. – Seite 221 –

Mein liebster Charakter des Romans war übrigens die schräge und exzentrische Miss Wedlock, die sich bereits nach ihrem ersten Auftritt einen festen Platz in meinem Herzen erobert hat. Ihre Geschichte und ihr Schicksal haben mich wahrscheinlich sogar am meisten gerührt und zum Nachdenken gebracht. An einigen Stellen stellte sich mir auch die Frage, wie man ihr in ihrem hohen Alter helfen kann? Braucht sie überhaupt Hilfe? Warum können wir oft nicht akzeptieren, dass Menschen anders, in unseren Augen vielleicht sogar ein bisschen verrückt, sind und trotzdem ihr Leben bravurös meistern? Und in meinen Augen haben Kolja, Nellie, Elias und die wunderbare Miss Wedlock eine ganz große Gemeinsamkeit: Sie alle versuchen, das Leben und das eigene Schicksal irgendwie zu meistern.

Fazit

Um ehrlich zu sein, bin ich mir gar nicht sicher, ob ich Glücksdrachenzeit von Katrin Zipse überhaupt schon vollständig aufgenommen und verarbeitet habe, denn auch beim Schreiben meiner Rezension fällt mir auf, wie sehr die Geschehnisse des Romans noch immer in mir arbeiten und mich einfach nicht loslassen. Wenn ich diesen Roman in einem Wort beschreiben müsste, wäre wohl die Bezeichnung „Lebensroman“ die treffendste Bezeichnung für die Geschichte um Nellie und ihr großes Abenteuer, denn der Roman hat alles, was das wahre Leben auch zu bieten hat. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung für diesen Roman.