Rezension

DIESES Buch bleibt im Regal! Ein großartiges Abenteuer und absolutes Jahreshighlight

Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans - Mackenzi Lee

Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans
von Mackenzi Lee

Bewertet mit 5 Sternen

"Cavaliersreise. Die Bekenntnisse eines Gentlemans"  von Mackenzi Lee ist in diesem Frühjahr der Spitzentitel des Königskinder Verlags, ein Imprint von Carlsen, der leider immer noch vielen unbekannt ist. Bücher, die der Verlag herausbringt, lohnen - soweit ich das bisher beurteilen kann – fast alle einen zweiten Blick, lassen sich aber nur schwer in eine Schublade stecken. Sie entziehen sich dem Mainstream, überzeugen stattdessen mit ungewöhnlichen bis unbequemen Themen und beweisen zugleich, dass unbequem nicht automatisch dröge bedeutet, sondern fast jedes Thema mitreißend erzählt werden kann.

So auch "Cavaliersreise", ein Buch für Jugendliche und eigentlich jedes Alter, das für mich das Zeug zum Kult hat und auf geniale Weise verschiedene Genre und Thematiken vereinigt. Coming-of-Age, Homosexualität, Historie, Abenteuer, Mystik, Rassismus, Liebe, Emanzipation und vor allem - sehr viel Humor. Im Mittelpunkt stehen Grafensohn Henry Montague (kurz Monty) und sein bester Freund, der dunkelhäutige Percy, die gemeinsam auf besagte Cavaliersreise gehen, jene Art von Bildungsreise, die Söhnen der Oberschicht in früheren Jahrhunderten zuteil wurde, um sie auf ihr väterliches Erbe vorzubereiten und ihnen noch einmal die Gelegenheit zu geben, sich die Hörner abzustoßen. Im Falle von Monty hofft das Elternhaus hingegen mehr auf Einsicht und ein wenig Ruhe, denn der junge Mann hat eine Schwäche für Männer und Alkohol und tanzt nur selten in der Reihe. Von Beginn der Reise an stehen sie Sterne für gesittete Tage schlecht, denn Monty ist einfach unverbesserlich und noch dazu unsterblich in seinen besten Freund Percy verliebt…

Vor allem für Leser, die gerne mal den Klappentext ignorieren, ist die Handlung völlig unvoraussehbar. Was als Cavaliersreise beginnt, entwickelt sich schon bald zu einem spannenden Abenteuer rund um Räuber, Piraten, schurkische Adelige und seltsames Zauberwerk. Mittendrin die Liebe von Monty zu Percy, die den Leser mit Szenen fesselt, die vor herzzerreißender Sehnsucht und sexueller Spannung die Luft flirren lässt. Dabei ist es völlig egal, ob man die Geschichte als Mann oder Frau liest; DIESE Liebe springt über, geht unter die Haut, reißt mit und ging mir wahnsinnig ans Herz.

Die an die Zeit (18. Jahrhundert) angepasste, gewählte, aber hochironische Erzählweise, die bisweilen von modernen Ausdrücken durchdrungen wird, erfordert möglicherweise eine kleine Umstellung in den Lesegewohnheiten, ist allerdings neben den Charakteren das A und O des Buches. Erzähler Monty, eine Mischung aus adeligem Schnösel, Ferris Bueller und Jack Sparrow sorgt auf fast jeder Seite für Lacher, wenngleich sich durchaus ernste Töne in das Geschehen mischen.

Kleine Längen und ein etwas oberflächlich angerissenes mystisches Handlungselement werden von den Charakteren, die die Autorin wahrhaft zum Leben erweckt, mehr als wettgemacht. Neben dem durchtriebenen aber hochsympathischen Monty und seinem ernsten, treuen Freund Percy überzeugt vor allem Montys ebenso schlagfertige wie kluge Schwester Felicity, die in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrt und mit dem Kopf voran diverse Wände und Widerstände niederwalzt. YES!

Für mich ein großartiges, kluges, bewegendes in jeder Hinsicht überraschendes, unheimlich amüsantes historisches Abenteuer, das ich gerne ewig weiter gelesen hätte und das mir den Abschied von Monty, Percy und Felicity sehr sehr schwer gemacht hat. Ein Buch wie eine Fundtruhe auf Omas Dachboden, voll mit herrlichen Schätzen und faszinierendem, kuriosem Krimskrams, das auch beim zweiten oder dritten Auspacken/Lesen immer wieder Neues entdecken lässt. Absolute, uneingeschränkte, begeisterte Leseempfehlung!