Rezension

DIESES BUCH HAT MICH KRÄFTIG ZUM NACHDENKEN GEBRACHT

Die verlorene Ehre der Katharina Blum - Heinrich Böll

Die verlorene Ehre der Katharina Blum
von Heinrich Böll

Katharina Blum, eine bodenständige junge Frau von 27 Jahren führt ein geregeltes Leben. Sie ist nicht wohlhabend, kann sich aber eine Eigentumswohnung und ein Auto leisten. Diese unbescholtene Bürgerin verliebt sich in einen gesuchten Verbrecher und verhilft ihm zur Flucht. Damit gerät sie ins Visier der Polizei – aber nicht nur in ihr Visier, sondern auch in das der Zeitung. Es kommt wie es kommen musste, sie wird zu einem Opfer der sensationslüsternen Hetzjagd.  Sie wird in den Zeitungen als eiskaltes berechnendes Räuberliebchen dargestellt. Die Interviews von ihren Freunden werden völlig verdreht und verfälscht. Ihre Ehre wird solange mit den Füßen getreten, bis nichts mehr davon übrig bleibt. Die unzumutbaren Umstände lassen Katharina endgültig verzweifeln. Von Rache geleitet erschießt sie den dafür verantwortlichen Reporter.

 

Heinrich Böll inszeniert Katharina Blums Geschichte als eine Jagd durch den blühenden Sensationsjournalismus seiner Zeit. Handlungen sowie Aussagen werden abartig entstellt und verfremded. Menschen werden wie Tiere im Zirkus zur Schau gestellt. Die »Wahrheit« wird einfach fahrlässig nach Belieben konstruiert, um damit die ganz große Story verkaufen zu können. Wer verfälschte Inhalte propagiert, darf sich hinterher nicht über die Gegenreaktion wundern. Derartige Aktionen im Rahmen der Öffentlichkeit liefern die Legitimation für Terrorismus. Auf diese Weise verschwimmen die Grenzen zwischen physischer und psychischer Gewalt.

1880 hatte ein Journalist namens John Winston den Mut bei einer Festrede die Wahrheit über den Journalismus zu sagen: »So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.«

 

 

ÜBER DEN AUTOR

Als »permanente Fortschreibung« bezeichnete Heinrich Böll einmal die chronologische Reihenfolge seiner zahlreichen Romane, Erzählungen, Artikel, Essays und Buchbesprechungen. Der Nobelpreisträger für Literatur und Ehrenbürger seiner Geburtsstadt Köln kam 1917 zur Welt und erlebte den Zweiten Weltkrieg als Soldat. Schrieb Böll erst über den Krieg und dessen Folgen, wie im Antikriegsroman »Wo warst du, Adam?« (1951), so behandelte er später aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. Böll unterstützte den russischen Schriftsteller Solschenizyn sowie den deutschen Liedermacher Wolf Biermann; er engagierte sich in der Friedens- und Anti-Atombewegung. Für »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« (1974) wurde er von der Liga für Menschenrechte ausgezeichnet. Er starb 1985.

Kommentare

hobble kommentierte am 12. Juni 2016 um 07:06

Ein hervorragendes Buch