Rezension

Dieses Buch ist harter, aber unfassbar wichtiger Stoff !!! Lest es unbedingt !

Du wolltest es doch - Louise O'Neill

Du wolltest es doch
von Louise O'Neill

Bewertet mit 5 Sternen

Schon bei der ersten Vorstellung des Buches, da war mir ganz deutlich bewusst, das die Thematik dieses Buches für mich nicht leicht zu verdauen sein würde. Und genau so war es auch. Louise O' Neill hat mich mit DU WOLLTEST ES DOCH an meine persönlichen Grenzen gebracht und ich muss gestehen, das ich einmal eine kurze Pause einlegen musste, um die Geschichte sacken zu lassen und mich von Emma, die mir innerhalb kürzester Zeit so nah war, ein Stück weit zu distanzieren, damit es für mich wieder erträglicher wird.

Dieses Buch kann also, und ich muss das immer und immer wieder so deutlich sagen, ein Trigger für all jene unter Euch sein, die schon einmal Opfer von sexueller Gewalt wurden, die unter Depressionen und Angstzuständen leiden oder die einfach und schlicht, anfällig und empfindlich auf harte Themen wie Victim Blaming ( Opfer-Täter-Umkehr ), Vergewaltigung, Mobbing und ähnliches reagieren.

Allen anderen, möchte ich dieses Buch aber dringend ans Herz legen, denn DU WOLLTEST ES DOCH ist ein so realistischer Roman, der sich mit einem riesigen Problem unserer Zeit beschäftigt.

Emma ist das schönste Mädchen in ganz Ballinatoom, Irland. Und das weiß sie auch. Sie provoziert mit aufreizenden Outfits und macht keinen Hehl daraus, das sie sich gerne mit Jungs umgibt. Sie genießt es, das ihr alle zu Füßen liegen.
Auf einer Party, da trinkt sie allerdings zu viel, sie wirft Pillen ein und schließlich verschwindet sie mit dem viel älteren Paul im Schlafzimmer.

...Filmriss....

Zwei Tage später ist die Welt plötzlich eine ganz andere ! Emma wird von ihren besten Freundinnen geächtet, sie wird in der Schule verspottet, beleidigt. In den Social Medias tauchen Bilder auf, die sie in eindeutiger Pose zeigen. Die Kommentare darunter: HURE, FLITTCHEN, SCHLAMPE ! "Die wollte es ja gar nicht anders". "Easy-Emma".

Was niemand sieht: Das Mädchen wirkt auf den Bildern teilnahmslos und weggetreten. Doch dem Mob genügt es, die Feinheiten zu übersehen und sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren...denn wer will bei sowas schon den Tatsachen ins Auge sehen, wenn das Mädchen es durch sein Verhalten ja sowieso förmlich provoziert hat ? Da wird sie schon Gefallen an der Sache gefunden haben....

Louise O'Neill widmet sich in ihrem Roman auf sehr schonungslose und authentische Art und Weise, die manch einen Leser sicher erschrecken dürfte, dem Thema Vergewaltigung und dem DANACH.

Emma ist ganz klar das Opfer in dieser Tragödie, doch ihr Umfeld suggeriert ihr, das sie die Situation selbst provoziert hätte, das sie, sollte sie die Jungs anzeigen, die ihr Schreckliches angetan haben, das Leben dieser zerstört. Und überhaupt ist die Situation ja vielleicht doch einfach nur aus dem Ruder gelaufen, schließlich kommen die Jungs ja alle aus gutem Hause.

Der Umgang mit Emma hat mich unglaublich wütend gemacht. Besonders die Tatsache wie ihre eigene Familie reagiert. Ihr Vater kann sie nicht mehr ansehen, verbringt mehr Zeit bei der Arbeit als Zuhause, ihre Mutter resigniert. Alle scheinen mit sich selbst beschäftigt und niemand hinterfragt, wie es Emma mit dieser Situation geht. Einzig ihr älterer Bruder scheint besorgt und versucht, Emma dazu zu bewegen wieder am Leben teilzunehmen. Allerdings gestaltet sich dies in einer Kleinstadt wie Ballinatoom, in der jeder jeden kennt, sehr schwer, denn egal wohin Emma auch geht, die Leute flüstern und tuscheln hinter ihrem Rücken, sie wird auf der Straße angerempelt oder verspottet. Kein Wunder, das sie in eine tiefe Depression verfällt und sich selbst verliert.

Emma ist ein Charakter, bei dem es mir gerade zu Beginn sehr schwer fiel eine Verbindung aufzubauen, denn sie ist, das muss man einfach so sagen, nicht gerade eine Sympathieträgerin. Sie wirkte auf mich sehr kalt und distanziert, war sich ihrer selbst immer sicher und bewusst, das sie sowieso das bekommt was sie haben will. Im Verlauf macht sie dann aber, aufgrund des Erlebten eine extreme Verwandlung durch. Sie wirkt beinahe apathisch und ihr Gedankenkarussell dreht sich unaufhörlich. Sie hinterfragt all die hässlichen Kommentare und Nachrichten, die sie auch ein Jahr später noch bekommt und redet sich selbst ein, das da vielleicht doch auch Wahrheit mit drin steckt. Sie sieht sich selbst als eine Art Täterin, die die Zukunft von jungen Männern verbaut, weil sie sich doch selbst an nichts aus dieser Nacht erinnern kann. Wie kann sie da also irgendetwas behaupten, selbst wenn die Bilder eine eindeutige Sprache sprechen ???

Leider ist genau das was Emma passiert, in der heutigen Zeit ein ganz großes und ernstes Thema, das wir immer wieder diskutieren und überhaupt zur Sprache bringen müssen. Vergewaltigungen in den Nachrichten gehören heute ja schon fast zur ( sehr traurigen ) Realität. Wie kann es sein, das solche Gräueltaten heutzutage so oft toleriert werden, wenn die Frau ( bzw. das Opfer ) es doch förmlich darauf angelegt hat, mit ihrem Outfit, mit ihrem Verhalten, etc.

Es gibt ein sehr interessantes Nachwort der Autorin, das eigentlich alles sagt, was ich auch dazu denke. Auch der Verlag hat ein eigenes Nachwort angehängt, das eine sehr wichtige Aussage enthält.

Ein bisschen schockiert war ich davon, wie die Autorin die Geschichte um Emma auflöst. Allerdings nur für einen kurzen Moment, denn leider kommt auch hier wieder die traurige Realität zum Tragen, die zeigt, welch einen Kampf es für ein Opfer bedeutet, zu seinem Recht zu kommen. Ich kann Emmas Entscheidungen, auch aus eigener Erfahrung heraus, unheimlich gut verstehen und trotzdem haben sie mich auch traurig und wütend gemacht.

Fazit:
 DU WOLLTEST ES DOCH ist ein Roman in dem ein sehr schweres Thema vorherrscht, das aber unbedingt immer wieder angesprochen und diskutiert werden muss. Heute mehr denn je.
Es ist ein brutaler, aber authentischer Roman, der jede Menge Stoff zum Nachdenken bietet und den ich unbedingt auch als Schullektüre empfehlen würde.