Rezension

Dieses Buch kann man, muss man aber nicht lesen

Pfaffs Hof - Hiltrud Leenders

Pfaffs Hof
von Hiltrud Leenders

Bewertet mit 2 Sternen

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Bei diesem Buch handelt es sich um ein Rezensionsexemplar. Aus diesem Grund kennzeichne ich diesen Beitrag mit |Werbung|. Für meine Beiträge werde ich grundsätzlich nicht bezahlt. 

Allgemeines:

Hiltrud Leenders Pfaffs Hof erschien am 26.06.2018 bei Rowohlt als Taschenbuch und umfasst 251 Seiten. Leenders ist am Niederrhein geboren, dort, wo auch die Handlung ihres Buches spielt. Sie ist hauptberuflich Schriftstellerin und ihren Lesern durch ihre Krimis rund um Hauptkommissar Toppe bekannt, die sie gemeinsam mit Michael Bay und Artur Leenders geschrieben hat.

Inhalt:

„Die Sechziger sind gerade angebrochen, als Annemarie mit ihren Eltern auf „Pfaffs Hof“ zieht, gelegen in einem kleinen katholisch geprägten Ort am Niederrhein. In den Ecken des dunklen, baufälligen Gebäudes sammeln sich Staub, Enttäuschung und trotzige Stille. Die Stille heißt Peter, wie Annemaries älterer Bruder, der gehen musste, weil er zu viele Fragen über den Krieg stellte. Das hat die Mutter dem Vater nicht verziehen. Annemarie auch nicht so richtig, deswegen sagt sie dem Vater auch nichts von Mutter und den Männern hinter der Spülküchentür.

Während die Eltern die Fassade einer normalen Kindheit aufrechtzuerhalten versuchen – mit Ausflügen in den Märchenwald und bunten Tüten zum Nikolaustag –, flüchtet Annemarie in ihre Bücher und liest sich nach Bullerbü. Zwischen Mutters Klagen und Vaters Schweigen träumt sie davon, eine Studentin zu sein, die alles weiß und Herrenarmbanduhren trägt wie Astrid Lindgren. Stattdessen bekommt sie erst einmal Perlonstrumpfhosen und eine Barbiepuppe. Doch die Zeichen der Zeit stehen auf Umbruch und Annemarie ist fest entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen …“ (Quelle: Rowohlt Verlag)

Meine Meinung:

Was mir sofort ins Auge fällt: Leenders hat keinen schönen Schreibstil. Aneinanderreihungen von Haupt- und Nebensatz verursachen einen unangenehm abgehackten Lesefluss, das wird im Verlauf des Buches besser, aber die Abfolge häufig gleicher Satzmuster schmälert den Lesefluss sehr. Gleiches gilt für die Handlung des Buches. Man wird gedanklich von hier nach dort geschickt und muss sehr aufmerksam lesen. Das strengt an und lässt einen schnell die Lust verlieren. Leenders springt in ihren Gedanken, macht viele Andeutungen, führt kaum näher aus.

Die Protagonisten sind oberflächlich angelegt. Sie werden nicht eingeführt, tauchen einfach auf und man weiß zunächst nicht, wie sie zu verorten sind. Selbst Annemarie, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, bleibt zunächst farblos. Leenders versucht, sich in die Person von Annemarie als Dritt- ,Viert- und Fünftklässlerin hineinzuversetzen und die Geschehnisse aus dieser Perspektive zu erzählen. Das gelingt grundsätzlich, aber immer, wenn es spannend werden könnte, springt sie. Das ist sicherlich so gewollt, wirkt aber manchmal sehr aufgesetzt.

Ich habe aufgrund der Bewerbung und des Klappentextes ein Buch erwartet, das tiefgründiger ist. Ein Buch, das mir einen tieferen Einblick in die Gedanken und die Gefühlswelt der Protagonisten gibt. Dieses Buch ist schroff und karg erzählt. Historische Fakten –  etwa Bezüge zum Dritten Reich – werden angerissen und bleiben einfach stehen, jeder kann oder soll sich dazu denken, was er will. Warum, frage ich mich. Ich möchte wissen, wie die Familie politisch denkt und dachte, denn dieses Buch soll doch auch ein Stück Zeitgeschichte erzählen. Andererseits ist es oft diese Schroffheit, die den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema kennzeichnet: Man wollte und will vergessen.

Annemarie ist nicht glücklich in ihrem neuen Zuhause. Einsam ist es dort und die Eltern streiten ständig. Annemarie hat Angst. Angst vor ihrem Lehrer, vor anderen Kindern, vor der Dunkelheit. Sie entwickelt sich zu einer stillen Beobachterin, die mit dem, was sie sieht, oft überfordert ist. Ihre Reaktion darauf ist immer Übelkeit, dauernd muss dieses Kind sich übergeben. Ihr weiterer Entwicklungsweg gibt allerdings Anlass zu Hoffnung. Mehr möchte ich hier nicht verraten. Ihr familiäres Umfeld ist ebenso zerrissen wie sie. Hinter den Fassaden brodelt es sehr. Leenders spielt sehr mit Klischees, das ist schade: Katholiken sind komisch, Protestanten eher nicht… So funktionieren allerdings auch die Weltbilder, die Kinder sich ausmalen.

Fazit:

Dieses Buch kann man, muss man aber nicht lesen. Die Thematik der Nachkriegsgeneration ist von anderen Autoren schon sehr viel besser beschrieben worden (Ulla Hahn, Karl Ove Knausgård, Carmen Korn, Regina Scheer). Ich habe dieses Buch nur beendet, weil mich die Figur der Annemarie interessiert hat. Auf 251 Seiten lässt sich eine so komplexe Geschichte nur schwer erzählen.