Rezension

Dieses Buch macht mich glücklich und traurig zugleich

Das also ist mein Leben
von Stephen Chbosky

„Lieber Freund, ...“ So beginnen alle Briefe Charlies an einen für den Leser Unbekannten. Schreibt Charlie an Gott? An eine Person, deren Namen er zufällig irgendwo aufgeschnappt hat? Schreibt er an einen imaginären Freund? An sich selbst? Oder richten sich seine Briefe gar an uns alle, die Leser? Diese Fragen lässt Stephen Chbosky offen, sie sind aber auch nicht ausschlaggebend für die Geschichte und der Autor überlässt so jedem Leser eine persönliche Interpretationsmöglichkeit.

Charlie, 15 Jahre alt, ist kein „normaler“ Jugendlicher. Er ist ungewöhnlich nachdenklich und sensibel. Herumplagen tut sich Charlie nicht nur mit den alterstypischen Problemen eines pubertierenden Teenagers, sondern auch mit den Folgen einiger Geschehnisse, die bis in seine Kindheit zurückreichen. Der Außenseiter findet Anschluss, als er die lebenslustigen Geschwister Sam und Patrick kennenlernt...

Selten habe ich einen so authentisch die Gefühle von Jugendlichen widerspiegelnden Coming-of-Age-Roman wie „Das also ist mein Leben“ gelesen. Das Ganze wirkt fast wie aus dem echten Leben gegriffen. Im gesamten Roman lassen sich zudem etliche wunderschöne und weise Sätze auffinden, die zum Nachdenken anregen.

Auf seine ganz eigene Weise schildert der Autor komische sowie ernste Momente aus der Sicht eines verwirrten und aufmerksamen Jungen. Stephen Chbosky verzichtet dabei auf jegliche Schnörkel und andere Stilmittel und schreibt insgesamt in einer vereinfachten Sprache, was das Buch noch einen weiteren Ticken authentischer macht.
Die Schreibweise Stephen Chboskys erinnert stellenweise an die von „Der Fänger im Roggen“ und Charlie weist gewisse Charakterzüge Holden Caulfields auf. Man kann schon behaupten, dass sich Stephen Chbosky von J. D. Salingers Werk hat inspirieren lassen, besonders da Salingers Roman in „Das also ist mein Leben“ sogar namentlich Erwähnung findet.

Probleme werden sanft, gleichzeitig aber auch realistisch aufgegriffen. Leider kann dabei stellenweise nicht sehr in die Tiefe gegangen werden, da einfach zu viele unterschiedliche ernste Themen behandelt werden. Viele Aspekte werden daher nur kurz erwähnt oder bloß oberflächlich beleuchtet. Aber vielleicht wäre das Buch dann ja auch zu schwer geworden.
In dem Roman wird auch ein in unserer Gesellschaft bisher relativ unbeachtetes Thema angesprochen. Soweit ich es verstanden habe, bringen Drogen die bis dahin verdrängte Erinnerung an das, was mit ihm los ist, zurück in Charlies Bewusstsein.

Charlie ist ein äußerst liebenswürdiger Protagonist, den ich von der ersten Seite an ins Herz geschlossen habe, mit dem ich mich identifizieren konnte, den ich beschützen wollte und mit dem ich mitgefiebert habe. Auch die anderen Figuren - allen voran Sam und Patrick - habe ich im Laufe des Romans sehr lieb gewonnen und ich finde es wunderbar zu sehen, wie sie Charlie helfen, aber gleichzeitig, wie er unbewusst auch ihnen hilft.

Man muss hart kämpfen, um die Freiheit zu erlangen, am meisten gegen sich selbst. Dieser Satz passt gut zu „Das also ist mein Leben“. Charlie durchlebt im Laufe der Geschichte mehrere Wandlungen: zum einen vom verschüchterten Mauerblümchen zum mutigen und offenen jungen Mann und zum anderen vom traumatisierten Jungen zum Erlösung gefundenen und seelisch befreiten Menschen. Diese beiden Wandlungen glücken dem Autor glaubwürdig darzustellen.

Fazit: Diesem wunderschönen Briefroman gelingt der Spagat zwischen Tiefgang und Leichtigkeit und er vermittelt authentisch die Gefühle Jugendlicher. „Das also ist mein Leben“ ist ein Buch, das mir sehr am Herzen liegt und das ich vermutlich nie vergessen werde. Es ist wunderbar, dass es solche Bücher gibt.

„Alles Liebe,
Charlie“