Rezension

Dieses Buch zu lesen, ist eine echte Freude

Wilde Freude
von Sorj Chalandon

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jeanne ist am Boden: Nicht nur, dass sie den Verlust eines geliebten Menschen noch nicht verkraftet hat, sie erhält auch noch die Diagnose Krebs. Da ihr Mann Matt damit nicht umgehen kann und die in kleinster Weise unterstützt, fühlt sie sich unglaublich einsam und verzweifelt. Doch dann lernt sie während der Chemo die ebenfalls an Krebs erkrankte Brigitte und ihre beiden Freundinnen kennen, die nicht nur ihre engsten Freundinnen werden, sondern sie später auch noch bitten, bei einem Raubüberfall zu helfen…

Auch wenn der Roman direkt mit dem Überfall auf den Juwelier beginnt, stellt dieses Ereignis nicht die eigentliche Haupthandlung dar: Vielmehr geht es um Frauen, die eine schweres Leben haben, aber immer weiterkämpfen – gegen die Krankheit, aber auch gegen Vorurteile und die Schatten der Vergangenheit. Männer spielen hierbei eigentlich keine Rolle und werden, wenn sie doch einmal Teil der Handlung sind wie Matt, sehr negativ dargestellt. Seine Reaktion auf Jeannes Erkrankung hat seitenweise wirklich wütend gemacht: Er hält sich fern von ihr, fasst sie nicht mehr an und begleitet sie auch nicht zu Terminen. Auch wenn ich das Grundmotiv, die Angst vor einem weiteren Verlust, für sein Handeln durchaus verstehe, kann ich mir kaum vorstellen, dass das jemand seiner eignen Ehefrau, die er angeblich liebt, antun würde.

Dabei ist die Krankheit nicht das Einzige, was die vier Frauen miteinander verbindet. Alle haben schwere Verluste durchgemacht, Mann, Familie oder Kind viel zu früh verloren und sind quasi auf sich allein gestellt. Teilweise fand ich das Schicksal, welches der Autor seinen Figuren zugesprochen hat, echt extrem hart und schonungslos.

Zwar steht im Mittelpunkt des Romans die Buchhändlerin Jeanne, deren Leben und Vergangenheit dem Leser sehr genau beschrieben wird, doch auch die anderen drei an Frauen gehen dabei trotz der geringen Seitenzahl nicht unter. In kurzen Episoden bekommt der Leser einen guten Blick auf deren Vergangenheit. Das Interessante dabei ist, dass alle vier Frauen sehr unterschiedlich gezeichnet sind.

Insgesamt habe ich den Roman sehr gerne gelesen – ein wirklich tolles Buch! Die Handlung ist teilweise spannend wie ein Krimi, ohne dass literarischer Anspruch und Figurenentwicklung auf der Strecke bleiben. Als Leser fiebert man mit und leidet mit den Protagonisten, ist wütend auf die Männer und hofft, dass die vier Frauen nicht erwischt werden. Eine kleine Kritik zum Stichwort Männer: Diese sind in diesem Roman ausschließlich negativ dargestellt, sei es der Ehemann, der Großvater oder der Exfreund. Das finde ich etwas schade, schließlich wird es auch im Leben der einen oder anderen einen guten Mann gegeben haben, der sie geprägt hat. Trotz dieser kleinen Kritik und einem kleinen Logikfehler gegen Ende des Romans, kann ich das Buch aber wirklich sehr empfehlen.