Rezension

Digitaler Größenwahn - irre designt!

Der Circle
von Dave Eggers

Bewertet mit 5 Sternen

Muss man gelesen haben.

Dave Eggers, dies schon mal vorab, ist ein großartiger Schreiber. Ich habe bereits „Zeitoun“ von ihm gelesen, ein Roman, der mich trotz seiner einseitigen Betrachtungsweise, nachhaltig beeindruckte. The Circle hat mich wieder begeistert. Denn Dave Eggers entwickelt die Welt des Circle irre phantasievoll und kunstvoll designt bis ins letzte Detail.

Einige Kritiker meinen, die Protagonistin sei zu naiv. Das denke ich nicht, zumal Mae niemals Zeit gelassen wird, zu reflektieren! Denn Eggers Protagonistin Mae Holland steht symbolisch für den verführbaren Menschen. Und sage mir keiner, der Mensch sei nicht verführbar, mir könnte das nicht passieren, jeder ist anfällig. Die Verführbarkeit entsteht subtil durch ganz normale „kleine Charakterschwächen“ wie Ambitionen, Komplexe, Neid, Eifersucht, Streben nach Superiorität und En vogue-sein, Darstellungssucht, etc, etc. Und beruht andererseits auf Erpressbarkeit, auf Abhängigkeiten und der Angst ausgeschlossen zu werden.

Im ersten Teil wurde ich von jeder neuen Runde (Steigerung) genau so überrumpelt wie Mae und bei der letzten Seite von Teil 1 schlug ich das Buch erst mal zu und schnappte nach Luft.

Jeder weiss, dass es um die Digitalisierung der Welt geht, aber Eggers beleuchtet nicht mit erhobenem Zeigefinger die Gefahren des Internet bzw. des digitalen Zeitalters, sondern bleibt in der Entwicklung seines Romans einfach konstant innerhalb eines geschlossenen Systems, des Circle, bis zum einleuchtenden Finale, ganz nah bei seiner Figur Mae Holland. Das reicht. 

Teil 2 ist komplexer, auch etwas ermüdend und frustrierend, entspricht aber genau der Stimmung, die der Autor hervorrufen muss, um den Automatismus des Circle im Leser selbst abzubilden und Teil 3 besteht nur noch aus ein paar Seiten. Vielschichtigkeit der Charaktere braucht der Autor für diesmal nicht, weder von den Dialogen noch von den Personen her lebt das Buch, denn das Sujet ist das System. Trotzdem entwirft Dave Eggers mit wenigen Kennzeichnungen verschiedene Persönlichkeiten, die unterscheidbar sind und lebendig wirken, vieles steht (nur) zwischen den Zeilen und bewirkt angeregtes Kopfkino!

Fazit: Ein rasanter und phantasievoller Wurf, doch muss man es mögen, thematisch so festgenagelt zu werden.