Rezension

"Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewger Bund zu flechten." (Friedrich von Schiller)

Die Glocke im See - Lars Mytting

Die Glocke im See
von Lars Mytting

Bewertet mit 5 Sternen

1880. Die Stabkirche mit seinen zwei Schwesternglocken ist seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil des kleinen von Bergen umgebenen norwegischen Ortes Butangen. Gerade um die Glocken ranken sich viele Legenden, die sich die Menschen immer wieder erzählen. Nun hat Butangen den neuen Pfarrer Kai Schweigaard, an den sich die Ortsbewohner erst gewöhnen müssen, der eine neue Kirche bauen möchte, die seiner Meinung nach besser zur Gemeinde passt. Um das nötige Geld dafür zusammen zu bekommen, verkauft er die alte Stabskirche an die sächsische Stadt Dresden, damit diese sich um den Abbau kümmern und gleichzeitig ihre wissenschaftlichen Forschungen betreiben können. Der junge Architekturstudent Gerhard Schönauer kommt als Gesandter der Dresdner Akademie nach Butangen, die Koordination rund um die Stabskirche zu leiten. Sowohl Kai als auch Gerhard sind von Astrid Hekne angetan, einer jungen Frau aus dem Dorf, die recht selbstbewusst ist und sich nicht dem allgemeinen Dorfleben anpasst. Astrid aber verliebt sich in Gerhard, obwohl sie gegen den Abbau der Kirche ist. Sie erhofft sich ein neues und aufregenderes Leben mit ihm. Doch vieles kommt anders als alle erwartet haben und auf einmal läuten die Glocken wieder….

Lars Mytting hat mit seinem Buch „Die Glocke im See“ einen wunderbaren, gefühlvollen und mystisch angehauchten Roman mit historischem Hintergrund vorgelegt, der von der ersten Seite an fasziniert und den Leser in eine alte Zeit katapultiert, um dort eine spannende Geschichte zu erleben. Der Schreibstil des Autors ist fesselnd, nicht immer einfach, aber voller Poesie. Mit einer spürbaren Liebe für sein eigenes Land zeichnet er mit Worten großartige Bilder, die vor dem inneren Auge des Lesers entstehen und ihn eine Zeitreise der besonderen Art erleben lassen. Die Geschichte um die Stabkirche und vor allem die Symbolik der Schwesternglocken wird gleich zu Beginn des Romans erzählt, jedoch ist diese Sage zugleich immer im Hintergrund der Geschichte präsent. Der Autor lässt den Leser teilhaben an den Eigenheiten der Ortsbewohner, ihrer alten Bräuche und Traditionen sowie ihrem Aberglauben, aber er zeichnet auch das Bild eines harten und entbehrungsreichen Lebens, in dem die Gemeinschaft wichtig ist.

Die Charaktere sind liebevoll mit Leben versehen, besitzen individuelle Eigenheiten, um sich dort in der Abgeschiedenheit zu behaupten und sich durchzukämpfen. Ihre Schickale berühren und faszinieren zugleich, der Leser fühlt sich ihnen nah und kann einige ihrer Entscheidungen gut nachvollziehen. Astrid ist eine junge Frau, die schon immer wusste, was sie wollte. Sie ist wissbegierig, neugierig auf die Welt und alles, was diese zu bieten hat. Deshalb ist sie auch eine Außenseiterin im Ort, denn zu jener Zeit war die Aufgabe einer Frau zu heiraten, eine Familie zu führen und diese mit harter Arbeit durchzubringen. Aber Astrid strebt danach, hinaus in die Welt zu gehen und Neues kennenzulernen. Kai ist der neue Pfarrer und hat den Kopf voll von Ideen, wie er die Gemeinde in die Zukunft führen kann. Er ist übereifrig, oftmals auch sehr egoistisch und will mit aller Macht seine Ziele umsetzen. Dabei kann er rücksichtslos sein. Gerhard ist ein gebildeter Mann, der allen Dingen offen gegenüber steht und dabei seine Freundlichkeit nie verliert. Auch die weiteren Protagonisten lassen die Handlung an Spannung gewinnen.

„Die Glocke im See“ ist ein wunderbarer Roman, dessen Sprache während der Lektüre großartige Bilder im Kopf projiziert und den Leser in eine Zeit mitnimmt, wo Tradition und Mystik ihren Platz hatten. Wunderschön erzählt und jede Leseminute wert. Man darf gespannt sein auf die Fortsetzung! Eine echte Entdeckung!