Rezension

Drei Väter für Sejde

Judiths Liebe - Meir Shalev

Judiths Liebe
von Meir Shalev

Bewertet mit 5 Sternen

„Ein komischer Vogel, hieß es von Jakob Scheinfeld im Dorf. Er lebte allein, besaß ein kleines Haus, einen einstmals gepflegten Garten und ein paar leere Kanarienvogelkäfige, Nachlass eines riesigen Schwarms, der bereits in alle Winde zerstoben war." (Seite 19)

Dieser Jakob Scheinfeld kocht gerne und lädt Sejde in großen Abständen zum Essen ein. Vier Mahlzeiten werden in diesem Buch beschrieben, in dem der Gastgeber viel über das Leben von Sejdes Mutter Judith erzählt. Sie starb bereits, als ihr Sohn zehn Jahre alt war. Als Arbeiterin bei Mosche Rabinowitz war sie so beliebt, dass gleich drei Männer (ein Witwer mit zwei Kindern, ein harmloser Spinner und ein geschäftstüchtiger Schlawiner) den kleinen Sejde als ihren Sohn ansehen.

Anfangs fand ich das Buch, das mit viel jüdischem Humor gewürzt ist, etwas zäh und gewöhnungsbedürftig. Ich konnte zwar immer wieder schmunzeln und dachte zwischendurch auch an Ephraim Kishon, doch waren so viele Anekdoten und Geschichte miteinander verwebt, dass ich nur kurze Leseabschnitte bewältigen konnte. Das war jedoch kein Problem, da die großen Kapitel in viele kleine Unterabschnitte geteilt sind.

Das mit zahlreichen jiddischen Einsprengseln versehene Buch zeigte mir das friedlich erscheinende Leben in Israel während des zweiten Weltkrieges. Damit den Leser die unbekannten Worte nicht ausbremsen, wurde der Roman mit einem vierseitigen Glossar und einem Personenregister ergänzt.

Der 1948 geborene Autor hat Psychologie studiert, was seinen Menschenzeichnungen sehr zu Gute kommt. 1998, als das Buch zum ersten Mal in Deutschland erschien, galt er als einer der beliebtesten israelischen Romanciers. 2006 erhielt er für sein Gesamtwerk den Brenner Prize, die höchste literarische Auszeichnung in Israel.

Mein Fazit: Ich habe das Buch auf einem Wunschzettel einer lieben Lovelybooks-Freundin gefunden und bin neugierig darauf geworden. Das Lesen hat sich sehr gelohnt, die Geschichte beschäftigt mich immer noch. Diese zahlreichen kleinen Begebenheiten setzen sich wie ein Mosaik aus vielen Steinchen zusammen. Ich bekam einen Einblick in das ländliche Leben in Israel, genoss den jüdischen Humor und lernte außergewöhnliche Menschen kennen.

Seite 124: „Die Liebe bringt einen auf seltsame Gedanken und gegen Gedanken kann man nichts machen - Der Gedanke sitzt im Kopf gefangen und kommt da nicht raus, aber in seinem Käfig ist er der freieste Vogel und singt, was er will, wann immer er will.“ - Jakob Scheinfeld