Rezension

Dreimal die Opferrolle – ganz toll.

Three Women - Drei Frauen - Lisa Taddeo

Three Women - Drei Frauen
von Lisa Taddeo

Bewertet mit 2 Sternen

"Drei Frauen" ist im Literatursalon von Lb gelistet - weswegen ich den Roman näher betrachtete: Der erotisch-zotige Roman hat sich nicht verändert seit Casanovas Memoiren, er tarnt sich nur besser und ist salonfähig geworden. Es ist mit ihm wie mit den Zuhältern, die bei Maischberger ihr menschenunwürdiges Gewerbe als "Beruf wie jeder andere" darstellen dürfen und mit ihren Goldkettchen schaukeln, während Frau Maischberger ihnen zulächelt ... alles salonfähig heute.

Warum Three women“ von Lisa Taddeo ein überwältigendes, offenes, berührendes und aufklärendes Buch über weibliche Sexualität sein soll, erschließt sich mir auch nach dem Lesen der letzten Seite nicht. Und ob die Autorin sich tatsächlich acht Jahre lang mit den vorliegenden drei Fällen beschäftigt hat, kann ich nicht beurteilen, denn man hätte sie mit spielender Leichtigkeit erfinden können. Man liest solche Geschichten nämlich jeden zweiten Tag in einschlägigen Frauenzeitschriften. 

Alle drei Fallbeispiele sind gefällig geschrieben, das Buch liest sich, seiner Materie angemessen, „süffig“- etwas Besonderes sind die angeführten Beispiele aber nicht, abgesehen davon, dass sie mit mehr oder weniger pornographischen Details unterfüttert sind. Und auch das ist für Deutschland nichts besonderes. Für die Staaten wohl. Was den Erfolg des Romans auf dem dortigen Büchermarkt erklären mag. 

Seit 50 Shades of Grey sind Bücher, in denen mehr oder weniger unter der Flagge von Aufklärung und Offenheit Softpornos in die Mitte der Bücherszene gerückt werden, in. Bezeichnenderweise sagt eine der drei Frauen in „Three women“, das Buch 50 Shades of Grey sei ein Augenöffner für ihre Sexualität gewesen, eine Bemerkung, die Heiterkeit auslöst! Das also ist der Traum der Frauen: sich von männlicher Begierde unterjochen und demütigen zu lassen! Wahrhaftig erhellend! Dass Amerikaner dieses Buch mögen, mag darauf hindeuten, dass man in den Staaten, Frauen sehr gerne noch möglichst lange in der Opferrolle sehen und behalten möchte. (Leider muss ich mir hier ein deutlicheres politisches Statement verkneifen). Und, dass sich ein Amerikaner in der Öffentlichkeit selten zu Seximus bekennen darf, ohne Repressalien befüchten zu müssen. 

Es ist jedoch mehr als bedauerlich, dass alle drei Fälle, deren sich die Autorin schreibend annimmt, bloße Opferfälle männlicher Spielarten von Sexualität sind. Von geglücktem Leben oder beglückender Sexualität der Frauen - keine Spur. Sind Frauen prädestiniert für die sexuelle Opferrolle? Und wenn ja, warum? Leider denkt die Autorin darüber nicht laut nach. Was jedoch einzig lohnend gewesen wäre. 

Es gibt in dem Buch sicher auch Passagen, die überzeugen. Als der Vater von Maggie, der Schülerin, früh, durch einen Suizid ums Leben kommt, wird die Trauer um ihn, authentisch und anschaulich erzählt. Und obwohl die Sprache einfach ist, ist "der Report" gut geschrieben. Hier zählt aber der Inhalt. 

Fazit: Es geht in „Three women“ lediglich um die Darstellung dreier weiblicher Lebensentwürfe und Biografien, die komplett missglückt sind und Frauen als willige Opfer männlicher Lust darstellt bis hin zur völligen Selbstaufgabe, was schwere Bedenken meinerseits auslöst. Denn leider fehlt eine kritische Komponente völlig. Leser und Leserinnen von Softpornos dagegen werden super bedient. 

 

Kategorie: Unterhaltung. Erotische Literatur.
Verlag: Piper, 2020

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 08. Februar 2020 um 09:33

Klingt nach Shades of grey reloaded. Immerhin kannst du jetzt mitreden. :D

Schokoloko28 kommentierte am 08. Februar 2020 um 10:10

So wie Du das beschreibst, habe ich das Buch ganz zurecht von meiner WL gestrichen. Ich habe sowas in der Art schon gedacht!

Buchdoktor kommentierte am 08. Februar 2020 um 10:49

Mir sprang hauptsächlich der Tunnelblick der Autorin ins Auge. Lina hat offenbar keine Berufsausbildung und kostspielige Krankheiten. Sie leistet sich Therapien, die jemand ohne Krankenversicherung nicht zahlen könnte. In erster Linie ist sie Opfer des rücksichtslosen Kapitalismus und der Abwahl der gesetzlichen Krankenversicherung auf dem Wahlzettel für Trump. Was die Autorin nicht erkennen kann, weil sie nicht über den nationalen Tellerrand guckt. Wenn das Bisschen Reportage jahrelange Recherche erfordert - Gute Nacht.

wandagreen kommentierte am 08. Februar 2020 um 14:15

Das ist sicher nur ein Werbetrick.

Emswashed kommentierte am 08. Februar 2020 um 11:07

Was ist bloß mit dem Feminismus in Amiland passiert? Ich glaube, die müssen bei Null wieder anfangen. Danke für die Warnung.

Marshall Trueblood kommentierte am 08. Februar 2020 um 16:42

War eh kein Buch, das es auf meine Leseliste geschafft hat, aber Deine Rezension hat es wieder mal geschafft: MADE MY DAY!!!

wandagreen kommentierte am 08. Februar 2020 um 17:45

Danke, Patrick. Ich frage mich, ob die Pipers auch so begeistert sein werden ... !

Marshall Trueblood kommentierte am 08. Februar 2020 um 22:49

Schlechte Werbung ist besser als keine...