Rezension

Drum prüfe, wer sich ewig binden will

Die Herrin von Wildfell Hall
von Anne Brontë

Bewertet mit 4 Sternen

Die junge Helen wird in die Gesellschaft eingeführt, um einen Mann von Stand zu finden, der sie ehelichen will. Doch möchte Helen mitbestimmen, wen sie heiraten wird und dieser Herr muss ihr Herz berühren. Trotz Warnung ihrer Tante fällt ihre Wahl auf den jungen, lebenslustigen Mr. Huntingdon.

"Die Herrin von Wildfell Hall" ist das Werk der jüngsten und unbekanntesten Bronte-Schwestern, das von Anne (*1820-1849). Doch zu unrecht.

Düster, romantisch beginnt die Geschichte wie auch die Romane ihrer großen Schwestern. Doch im Vordergrund steht etwas ganz anderes. Nichts Unheimliches erwartet einen, sondern die bittere Realität und Geschichte einer Frau, die den falschen Mann heiratete.

Es beginnt mit einem Brief von einem Gilbert an einen vermutlichen Freund. Ihm berichtet er von einer geheimnisvollen, wunderschönen Frau, in die er sich einst verliebte. Diese Dame von 25 Jahren zog eines Tages mit ihrem 5-jährigen Sohn in das schon lange verlassene Haus Wildfell Hall. Schnell wurde sie zum Gespräch des Dorfes. Trug sie doch stets schwarz, sollte verwitwet sein und dazu noch alleinerziehend. Die Nachbarn sind neugierig und besuchen Mrs. Helen Graham. Sie sehen, dass sie für sich selbst sorgt. Sie malt Bilder und verkauft diese. Doch möchte sie vor allem eins, ihre Zurückgezogenheit und Ruhe. Der 18-jährige Gilbert verliebt sich in die besondere Frau und umwirbt sie. Helen möchte aber keine Beziehung eingehen. Gerüchte vermehren sich und eines Tages, als Helen Gilbert wieder wegschickt, bleibt er noch versteckt vor dem Anwesen stehen und sieht wie Helen mit ihrem Hausverwalter Mr. Lawrence aneinander-geschmiegt durch den Garten spaziert und tuschelt. Sein Herz ist gebrochen.

Der junge Gilbert kann seinen Hass nicht zügeln und es geschieht ein Unglück. Sein schlechtes Gewissen verleitet ihn daraufhin, noch ein Mal zu Helen zurückzukehren. Es läuft alles ganz nach dem Motto "Stolz und Vorurteil" ab. Zum Schluss erhält er Helens Tagebuch als eine Art Erklärung, weshalb sie ihn zurückweist.

Die Hauptgeschichte wird in Tagebuchform erzählt. Es behandelt die Geschichte der jungen Helen, die in die Gesellschaft eingeführt wird bis zu ihrer ersten Begegnung mit Gilbert. 

Helens Geschichte ist kurz erzählt. Sie hat den falschen Mann geheiratet. Zunächst scheinen beide so verliebt und Mr. Huntingdon ein lustiger, liebevolle Geselle zu sein. Dies kehrt sich aber bald um. Er liebt die Gesellschaft, verweilt lieber in London bei seinen Freunden und verkehrt dort großzügig in Clubs. Er ist ein Trinker und Weiberheld. Für seine Frau und sein Kind hat er sehr schnell nichts mehr übrig. Er spottet und lästert über seine vermeintlichen Freunde, richtig schadenfroh und widerlich ist er. Eines Tages fliegt seine Affäre auf und er hat nichts dagegen, dies öffentlich zur Schau zu stellen. 

Doch Helen ist eine starke, tapfere Frau mit eigenem Kopf. Sie lässt sich nicht alles gefallen und ist nicht auf den Kopf gefallen. Sie sagt Huntingdon direkt ihre Meinung. Allerdings ist sie auch sehr fromm und denkt stets an ihr Seelenheil und das der anderen. Ständig versucht sie Huntingdon zu einem guten Mensch zu machen und zu erretten. Bis zuletzt gibt sie die Hoffnung nicht auf. Bis das Fass überläuft, und sie mit ihrem Sohn davon.

Sehr realistisch schildert Anne Bronte die Beziehung einer tapferen Frau zu einem Mann, der der Trunksucht und dem Vergnügen verfallen ist. Es gibt einen ständigen Wechsel ziwschen aufgeben und um den Mann kämpfen. Alles schwankt zwischen Hoffnung und absoluter Verzweiflung. Eigensinn und Pflichtgefühl, schließlich gab man sich das Ja-Wort vor Gottes Angesicht.

Dann ist das Buch auch deshalb so modern, weil es zeigt, wie eine Frau sich versucht aus einer unglücklichen Ehe zu befreien und ihren Lebensunterhalt selbstzuverdienen. Sie kann alleine für ihr Kind sorgen und ihr eigenes Glück finden. - Die Geschichte spielt in den 1820ern, vor 200 Jahren.

Wahnsinnig feministisch und modern!

Konnte ich mich mit keiner Figur anfreunden, war es beeindruckend zu lesen, wie direkt und real Bronte 1848 über ein solches Frauenschicksal in allen Details, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, berichtet.