Rezension

Duell der Erzfeinde

Vicious - Das Böse in uns - V. E. Schwab

Vicious - Das Böse in uns
von V. E. Schwab

Bewertet mit 4 Sternen

Als ich im Vorfeld zu „Vicious – Das Böse in mir“ in den Pressestimmen stöberte und las, es handele sich um „eine brillante Erkundung des Superheldenmythos und einen fantastischen Rache-Thriller.« (The Guardian) war meine Neugier geweckt.

Die Medizinstudenten Eli und Victor sind megaintelligent, ehrgeizig und ... sie überschreiten gerne Grenzen. Als sie beginnen, sich mit der Existenz von EOs (Extraordinäre; Menschen mit Superheldenfähigkeiten) zu beschäftigen, stellen sie die Theorie auf, auch sie könnten außergewöhnliche Gaben entwickeln – und zwar, indem sie sich der extremsten traumatischen Erfahrung überhaupt aussetzen: dem Tod. Sie wollen sterben, um als EO wiedererweckt zu werden. Und das Ganze gelingt sogar. Eli wird unverwundbar, Victor kann Schmerzen nehmen und geben. Perfekt, oder? Nur, dass Eli und Victor nun nicht mehr ganz sie selbst sind. Die einstigen Freunde beginnen, sich leidenschaftlich zu hassen.

„Vicious“ ist ein Mix aus dem 80er-Jahre-Streifen „Flatliners“ und „X-Men“, durchwirkt von Thriller-Elementen. Stilistisch ist das Buch extrem gut aufgestellt – smart geschrieben und clever konzipiert. Verschiedene Zeitebenen (10 Jahre vorher, zwei Tage vorher, letzte Nacht, dreieinhalb Stunden bis Mitternacht etc.) verleihen der Story eine tolle Dynamik, die beim Lesenden ein countdownartig-mulmiges Gefühl heraufbeschwört. Damit hatte mich die Autorin relativ schnell um den kleinen Finger gewickelt.

Die Geschichte liest sich gut und ist voll interessanter Wendungen, die man auf den ersten Blick nicht erwarten würde. Nur: Schurkische Protagonisten sind sicher nicht Jedermanns Sache – wer Sympathieträger braucht, Finger weg! – für mich war es eine willkommene Abwechslung im Fantasyeinerlei. Zwar sind nicht alle Figuren abgrundtief böse, aber Skrupel, sich die Hände schmutzig zu machen, haben sie auch nicht gerade. Was die Handlung für mich relativ unberechenbar machte. Und damit auch spannend.

Wermutstropfen ist die dürftige Ausarbeitung der beiden Hauptfiguren, Eli und Victor. Während einige Nebenpersonen (Sydney, ein junges Mädchen, das Tote wiedererwecken kann und Mitch, ein Knacki, der sich auf Victors Seite schlägt), schön eingeführt werden, hapert es bei Victor und Eli an glaubwürdiger Persönlichkeitsentwicklung. So schnell, wie sich Eli vom Vorzeigestudenten zum religiösen Fanatiker und selbsternannten Wächter über die Norm erhebt, kann man gar nicht blinzeln. Geschweige denn, es nachvollziehen.

Freund Zufall spielt punktuell zu ausgiebig mit. Nach einem Gefängnisaufenthalt etwa stolpert Victor ganz aus Versehen über eine der mächtigsten EOs der Welt, was dann plump als Vorsehung abgetan wird. Auch das Experiment mit dem Tod läuft ein bisschen zu glatt über die Bühne. Das kostet den einen Punkt, der den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Geschichte ausmacht. Und es ärgert mich, weil die Autorin es mit ihrem Talent besser hätte machen können – und zwar mit Leichtigkeit. Auch im Superhelden-Metier muss nicht alles fraglos hingenommen werden!

Fazit: Ja, ich habe ein, zwei Kritikpunkte und ja, das Buch hat mir dennoch sehr gut gefallen. Die zu grob abgewickelte Entwicklung von aufstrebenden Medizinstudenten zu Antisuperhelden hinterlässt einen leicht faden Nachgeschmack. Er wird jedoch (fast) wettgemacht von erfrischend abgezockten Protagonisten, amüsanter Superfähigkeiten-Performance und eleganter Schreibe. Ich freue mich auf die Fortsetzung!