Rezension

Düster und rasant – Spannung statt Romance

Elbendunkel 1: Kein Weg zurück - Rena Fischer

Elbendunkel 1: Kein Weg zurück
von Rena Fischer

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Jeder wird dich verraten. Es ist nur eine Frage der Zeit und des Preises. Freundschaft ist reine Illusion."

Wir schreiben das Jahr 2044. Die Welt ist eine andere geworden, seitdem einige Staaten, darunter die USA, geflüchteten Elben Asyl gewährt haben. Viele Menschen fürchten sich vor ihnen und ihrer angeblich verlorenen Magie, andere verachten sie, aber alle sind sich einig darüber, dass die Elben streng kontrolliert werden müssen. Die Auflagen reichen von implantierten Chips zur Überwachung des Gemütszustands und Tötung durch Giftimplantaten bis hin zur staatlich organisierten Zwangserziehung der Elbenkinder. Upperclass-Mädchen Luz tangiert all dies relativ wenig, bis auf den Familienchauffeur Tyrasil hat sie wenig mit Elben zu tun – abgesehen von der Tatsache, dass ihr Vater Jago Chef der Elbensicherheitsbehörde ist. Aufgeregt fiebert Luz ihrem ersten Date mit Niall entgegen, für den sie schon lange heimlich schwärmt. Er führt sie nicht etwa in einen angesagten Club oder in ein schickes Restaurant aus, sondern mitten in den gefährlichsten Bezirk San Franciscos: das Elben-Ghetto. Dort soll ein Poetry Slam stattfinden und Niall möchte unbedingt, dass Luz den Vortrag des Regimekritikers Darel anhört. Nicht gerade romantisch, aber Niall hat seine Gründe. Plötzlich kommt es jedoch zu einer Razzia und die Location wird ausgerechnet vom Gefolge Jagos gestürmt, der nicht ahnt, dass seine eigene Tochter sich unter die "Aschefresser" gemischt hatte. Als Luz ohne sein Wissen festgenommen wird, rechnet sie damit, dass ihr Vater ausflippen wird vor Wut, dass er ihr verbieten wird, Niall wiederzusehen, dass sie jahrelang Hausarrest bekommen wird… - Sie ahnt nicht, dass ihr weitaus Schlimmeres bevorsteht. Tatsächlich gerät ihre Welt aufgrund einer winzigen Blutprobe derart ins Wanken, dass sie fortan sogar um ihr Leben fürchten muss. Mit einem Mal steht sie selbst auf der Abschussliste ihres Vaters.

Kaum hatte ich den Klappentext gelesen, war meine Neugier auf die Story entfacht! Ich habe San Francisco schon oft bereist und war daher begeistert vom Setting des Romans – die häufig in Nebelschwaden gehüllte City by the Bay bildet in meinen Augen den perfekten Rahmen für eine gesellschaftskritische Dystopie! Gerne hätte ich noch mehr vom einzigartigen Flair dieser Stadt gelesen. 

Für mich war es das erste Werk von Autorin Rena Fischer und gespannt stürzte ich mich in die Handlung, die abwechselnd aus der Perspektive der Hauptfiguren Luz, Niall und Darel erzählt wird. Zum Glück hatte ich vorab den Hinweis auf das ausführliche Personen- und Sachregister im Anhang entdeckt, welches nicht nur unheimlich nützlich ist, wenn man zwischendurch schnell mal nachblättern möchte, welche Figur zu welcher Familie bzw. Organisation gehört, sondern auch verdeutlicht, wie ausgeklügelt dieser Roman ist. Die Autorin hat hier wirklich an alles gedacht – von Familienzweigen über politische Gruppierungen und Gesetzestexte bis hin zur Aussprache der ungewöhnlichen Namen. Wow! Ich war schwer beeindruckt und gleichzeitig auch etwas besorgt, ob ich nicht den Überblick verlieren würde. Diese Sorge hätte ich allerdings nicht haben müssen, denn obwohl man gleich mit allerlei Fakten und Charakteren konfrontiert wird, folgt immer sofort eine entsprechende Erklärung.  

Das Werk ist geprägt von düsteren, futuristischen Elementen, die keineswegs abwegig und an den Haaren herbeigezogen erscheinen; viele der erwähnten Technologien wird es mit ziemlicher Sicherheit in naher Zukunft geben. Der Konflikt zwischen Menschen und Elben (sowie zwischen den Elben untereinander) wird extrem fesselnd beschrieben. Hin und wieder erinnerten mich die schrecklichen Gesetzesauflagen und Bestrafungen an die Behandlung der Juden während der NS-Zeit. 

Luz tat mir richtig leid – es ist unglaublich, welche Schicksalsschläge innerhalb kürzester Zeit auf das Mädchen einprasseln. Alles in ihr sträubt sich (zu Recht!) dagegen, auf Darels Hilfe angewiesen zu sein. Immer wieder wird deutlich, dass sie ihm nicht vertrauen kann. Niall hingegen ist der klassische nette Junge, doch auch er hat Geheimnisse vor Luz. Vor lauter Action kommt es hier allerdings nicht zum Hin und Her einer klassischen Dreiecksgeschichte. Überhaupt ist der romantische Aspekt eher unterschwellig vorhanden; Drama, Verrat, Intrigen, dunkle Absichten - kurzum: der Kampf von Gut gegen Böse - ist der eigentliche Schwerpunkt. Luz überrascht alle (- inklusive sich selbst und den zur Gefühlskälte erzogenen Darel -) mit ihrem Kampfgeist. Meine Lieblingsfiguren waren übrigens nicht die drei Hauptfiguren, zu denen ich trotz allen Mitfieberns keine richtige Nähe aufbauen konnte, sondern Luz‘ beste Freundin Kelly (die immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat, wenn sie nicht gerade singt) und der charismatische Dunkelelbe Adrasel, den ich weitaus interessanter als Darel fand.

Der Schreibstil ist energiegeladen und rasant, einfach absolut mitreißend! Man kommt kaum zum Durchatmen, ständig folgt eine unerwartete Wendung auf die nächste; all meine Theorien konnte ich regelmäßig über den Haufen werfen und von Neuem losrätseln. Ein großes Lob vergebe ich für die authentischen Dialoge; sie passten zu den Figuren wie die Faust aufs Auge ;-) und kamen ganz ohne übertriebenen Jugendslang aus. Toll!

Fazit: Eine fantasievolle, komplexe, kritische Story mit nicht perfekten, facettenreichen Hauptfiguren. Definitiv ein spannender Reihen-Auftakt!