Rezension

Düstere, gruselige Atmosphäre und dennoch humorvoll mit sarkastischer, tiefgründiger Protagonistin

World After - Susan Ee

World After
von Susan Ee

Bewertet mit 5 Sternen

! ACHTUNG - ENTHÄLT SPOILER ZUM VORGÄNGER !

 

Ich schätze, man muss damit klarkommen, wie unheimlich düster dieses Buch ist und wie viel Raum zunehmend die Horror-Elemente einnehmen. Wer mit den Experimenten am Ende des Vorgängers nicht zurechtgekommen ist, wird auch hier eine Probleme haben, denn diese Thematik setzt sich fort, und ist dabei noch gruseliger und schockierender.
Dabei wird ganz besonders bei Paige auch die moralische Frage zentral, denn auch Penryn fällt es nicht leicht, mit ihrer Schwester umzugehen. Gleichzeitig leidet Paige ja auch irgendwie darunter - das Dilemma hat die Autorin jedenfalls gelungen rübergebracht.

Schon im ersten Band wurde deutlich, als Penryn das erste Mal auf die Widerstandgruppe traf, dass ihr der Held*innenkomplex fehlt, den so viele Protagonistinnen aus anderen Büchern dieser Art irgendwie ja doch innehaben. Widerstand, gut und schön, aber Penryn sieht es nicht als Aufgabe, die Menschheit zu retten. Ihre einzige Aufgabe ist es, sich um ihre Familie zu kümmern, was sie zufällig immer wieder ganz vorne zwischen die Fronten bringt.
Einerseits wird dadurch auch immer wieder zur Sprache gebracht, wie sehr es Penryn eigentlich belastet, dass sie mit jungen 17 die Rolle ihrer Mutter einnehmen musste und von ihr keinerlei Beistand - oder sagen wir mal, wenig verlässlichen - erwarten kann. Das wird unglaublich gut charakterisiert. Andererseits merkt man auch, wie diese Aufgabe immer mehr auf Penryn lastet und sie droht, daran zu zerbrechen.
Gleichzeitig findet sie sich immer mehr in Situationen wider, in denen quasi erwartet wird, dass sie zur Heldin wird. Dabei sieht sie sich eben nicht als Heldin und ist auch nicht bereit, diese zusätzliche Verantwortung auf sich zu laden, gleichzeitig verspürt sie eben auch die moralische Verpflichtung, Menschenleben zu retten, wenn sie es kann. Dieser innere Konflikt wurde ebenfalls sehr gelungen transportiert und überhaupt hatte ich das Gefühl, dass die Tiefgründigkeit von Penryns Charakter sehr ausgearbeitet ist.

Daneben ist es natürlich auch unterhaltsam, dass sie als Mädchen einfach grundsätzlich unterschätzt wird, dank jahrelanger Kampfkunsterfahrung aber genau weiß, wie sie ihre geringe Größe zur Geltung bringen kann und dann eben auch mal Typen ausknockt, wenn es denn sein muss. Trotz allem Antiheldinnen-Dasein ist sie trotzdem eine Kick Ass-Protagonistin, allerdings natürlich immer nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten.
Und ansonsten finde ich es unheimlich beeindruckend, wie so ein düstere Buch gleichzeitig Humor transportieren kann. Klar, wir müssen erst mal auf die unterhaltsamen Schlagabtausche von Penryn und Raffe verzichten, aber Penryns eigene Gedanken und Kommentare sind schon so von Sarkasmus gefärbt, dass der Unterhaltungsfaktor nicht auf der Strecke bleibt.
Übrigens auch dank Dee-Dum. Die beiden haben sowieso Zeug zu Lieblingscharakteren, mit ihrer Lausebuben-Killer-Doppelidentität, dem genialen Timing, der unauffälligen Unterstützung von Penryn und den unterhaltsamen Dialogen.

Zugegeben, zwischendurch gerät dieses Buch in die typische zweiter-Band-Gefahr und hat leichte Längen. Die Action und konstante Spannung drumherum schaffen es zwar, das ganz gut zu überbrücken, aber trotzdem ist der Handlungsbogen zwischenzeitlich vergleichsweise eher flach, was dem fesselnden Charakter des Buches jedoch keinen Abbruch tut. Typischerweise gibt es mehr Hintergrundinfos, nette Engelspolitik und Szenen, in denen man den Engeln am liebsten eine reinhauen würde.

Fazit: Manchmal vom Handlungsbogen ein typischer zweiter Band, das wird jedoch durch die düstere Atmosphäre mit dem gruseligen Frankensteincharakter, einer sehr tiefgründigen, sarkastischen Kick-Ass-Antiheldin mit gut ausgearbeitetem inneren Konflikt und generell stets präsentem Humor, der der Endzeitstimmung keinen Abbruch tut, wettgemacht.