Rezension

Düstere Stadt des Teufels und böser Cliffhanger

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert McCammon

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1)
von Robert McCammon

Bewertet mit 4 Sternen

Ich fühle mich betrogen. Um die Auflösung der Rätsel, um das Ende der Geschichte, um meine wertvolle Lesezeit. Sicherlich, die Erzählung war sehr interessant, besonders zum Ende hin äussert spannend. Aber genau deshalb traf mich wohl dieser gigantische Cliffhanger auch so hart.

Es beginnt in einem Sumpf. Der Richter und sein Gerichtsdiener sind durch einen düsteren Wald in einer stürmischen Nacht auf dem Weg nach Fount Royal, um der Hexe dort den Prozess zu machen. Doch bevor sie noch auf die Hexe treffen, finden sie Unterschlupf bei dem übelsten und scheusslichsten Schurken, der sogleich die Stimmung des Romanens festlegt: Düster, böse, nass und kalt, ständig auf der Lauer und nur von kleinen Freuden gesegnet. Das Jahr 1700 muss hart gewesen sein, der Hexenprozess kein Freudenfest, das war mir schon vorher klar. Doch über 400 Seiten liess sich die Sonne im wahrsten Sinne des Wortes kaum blicken. 

 

Der Schreibstil ist dem historischen Setting getreu mit einem manchmal altertümlichen Wortschatz und umständlichen Redensformen. Dies liess mich aber nur kurz aufhalten und ich wurde dennoch schnell mit der Erzählung warm. Die Beschreibungen sind so ausführlich, dass die Geschehnisse unschwer vor dem inneren Auge zum Kinofilm werden. Fast rieche ich die Pferdeäpfel, die ungewaschenen Sackleinen der armen Bürger, der nasse Wind vom Meer kommend. Ratten scheinen mir um die Füsse zu huschen, während ich von den Gefängnisbedingungen lese und meine Haut kribbelt bei den haarsträubenden Diskussionen ums Feuer der feinen Herren. Denn der Bürgermeister und Fount-Royal-Gründer Robert Bidwell hat ein ziemlich loses Mundwerk und ist in meinen Augen nicht der feine Christ, den er gerne mimt. Aber anscheinend hat so jeder in diesem Buch seine Geheimnisse, jeder hat nur Teilinformationen und viele werden von wilden Gerüchten und ihrer eigenen Todesangst geblendet. Die Geschichte ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass ein verängstigter und ungebildeter Haufen Leute mit Gerüchte mehr Unheil anrichten kann, als eine einzige Hexe - denn ja, ich bin überzeugt, dass Rachel leider das Opfer, nicht Teufels Braut ist. Ob ich damit richtig liege und wer wirklich seine bösen Finger wo überall im Spiel hat, das muss ich im Band 2 lesen.

 

Und hier kommt der Punkt, weswegen mich das Ende doch sehr verärgerte: Die Spannung ist am Höhepunkt, Matthew Corbett scheint dem Bösewicht heiss auf der Spur, das Urteil über die Hexe ist auf den nächsten Tag angesetzt und der Roman hat noch 5 Seiten, zeigt mein E-Reader. Ich blättere weiter und... "diese Geschichte geht in Band 2 weiter". Wie bitte?!?!?! Ich glaubte erst, mich verlesen zu haben. So trocken und doch so bösartig wie der Teufel selbst. Die weiteren 4 Seiten sind Werbung für andere Bücher. Ich wusste schon, dass es in einem weiteren Teil weitergehen würde. Ich dachte jedoch, nach dem Urteilsspruch der Hexe, nach dem Aufdecken des Bösen. Wie geht es nach diesem Gerichtsfall mit Matthew Corbett und Rachel Howarth weiter (oder nur mit ihm, falls sie doch ins Fegefeuer geschickt würde). Aber einfach so... unbeendet? Ich brenne auf Antworten und muss mich jetzt bis Ende Oktober 2017 gedulden, um weiterzulesen. Der wohl grösste Cliffhanger, den ich jemals antraf und den ich ehrlich gesagt, ziemlich gemein des Autores finde. Nun gut, ich kann es nicht ändern, aber verleitet mich fast dazu, dem Buch einen Abzug bei der Bewertung zu geben. Denn in meinen Augen war dies als Spannungseffekt nicht nötig, ich habe schon während der Lektüre mich dafür entschieden, Band 2 zu lesen - egal wie es ausgeht. Auf diese Weise scheint es mir jedoch eine unfaire Verkaufsstrategie oder eine dunkle Ader des Autors zu sein... oder eine Mischung aus beiden. Auf jeden Fall wirft es einen Schatten auf die sonst tolle, düstere Erzählung und lässt mich mit einem sehr bitteren Nachgeschmack sitzen. 

 

Nun freue ich mich also auf eine düstere, spannende und hoffentlich erklärende Fortführung, die Krimi, Horror und Geschichte toll vereint und für saisonale Leser ein gefundenes Fressen für Herbst-Winter sein dürfte.

4,5 / 5 Sterne