Rezension

Düsterer, grausamer, geheimnisvoller

Dark Triumph - Die Tochter des Verräters - Robin Lorraine LaFevers

Dark Triumph - Die Tochter des Verräters
von Robin Lorraine LaFevers

*Worum geht's?*
Als Tochter des Grafen d'Albret wurde Sybella von der Äbtissin St. Mortains an den Hof des Verräters geschickt, um aus den Reihen des Feindes für das Wohl der Herzogin zu kämpfen. Leicht fällt ihr der Weg zurück an jenen Ort, der sie zerrissen und gebrochen hat, nicht. Nur die Rache schenkt ihr Hoffnung und Kraft: Mit Mortains Hilfe wird sie d'Albrets für seine Taten büßen lassen. Doch so geduldig Sybella ihre Rolle an d'Albrets Hof auch spielt, mit jedem vergangenen Tag beginnt sie stärker an ihrem Glauben, ihrer Berufung, ihrem Leben zu zweifeln. Denn Mortain versieht den Verräter nicht mit seinem Mal und verwehrt Sybella so das Attentat auf ihren verhassten Vater. Ist Mortain wirklich der, für den sie ihn immer gehalten hat? Als Sybella plötzlich den Auftrag bekommt, einen Gefangenen d'Albrets zu befreien, bleibt ihr keine Zeit zum Zweifeln. Wenn sie nicht bald einschreitet, wird der Gefangene sterben - und mit ihm die Hoffnung der Herzogin.

*Meine Meinung:*
Sybellas Geschichte beginnt dort, wo wir sie in "Grave Mercy" das letzte Mal getroffen haben: Von den Türmen des Schlosses d'Albrets warnt sie Ismae und die Herzogin vor den Angriffen des Grafen, sodass sie rechtzeitig die Flucht ergreifen können. Als Tochter des fürchterlichen Verräters wurde Sybella von der Äbtissin von St. Mortain zurück zu ihrer verhassten Familie geschickt, damit sie aus den Reihen des Feindes für Mortain kämpfen kann. Doch das ist alles andere als ungefährlich...

Mit der gelungenen Mischung aus historischen, romantischen und fantastischen Elementen steht "Dark Triumph" seinem Vorgänger in Nichts nach. Robin LaFevers erschafft mit dieser gewagten Verschmelzung der Genres eine ganz besondere Atmosphäre, die fasziniert und einen trotz sehr detailreicher Beschreibungen nicht langweilt. Die mehr als 500 Seiten fliegen dank des flüssigen und angenehmen Schreibstils, der einem jede Szene bildlich in den Kopf zaubert, nur so dahin. Diesmal gibt es jedoch auch ein paar äußerst brutale Szenen, die Lesern mit schwachen Nerven ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bereiten könnten.

Im Großen und Ganzen ist die Handlung von "Dark Triumph" ist nicht ganz so rasant wie die von "Grave Mercy". Es bleibt zwar mitreißend und fesselnd, aber an den Vorgänger kommt es nicht ganz heran. Das braucht es aber auch nicht, denn der zweite Band der Trilogie schlägt eine andere Richtung ein: Es wird ernster, düsterer und geheimnisvoller. Die Atmosphäre ist viel bedrückender und zeigt die fantastische Welt aus einem neuen Blickwinkel. Besonders Mortain, der Todesgott, wird in diesem Band anders dargestellt, was dem ersten Teil rückwirkend sogar einen bitteren Beigeschmack gibt.

Sybella gehörte im ersten Band der "His Dark Assassin"-Reihe trotz ihrer relativ kurzen Auftritte definitiv zu den interessantesten Personen mit dem meisten Potenzial; ein vielversprechendes Fundament für einen Charakter, die nun im zweiten Teil der Reihe die Protagonistenrolle übernimmt. Die ausgebildete Auftragsmörderin ist eine Figur, die viel zu verbergen hat. Sie gibt nicht viel von sich Preis, spielt immer die Starke und gibt sich unnahbar, doch in Wirklichkeit ist sie ein sehr gefühlvoller und emotionaler Mensch, den die eigene Vergangenheit stark geprägt hat. Sie ist eine Maskenträgerin, eine begabte Schauspielerin, die mit verschiedenen Facetten spielt. Sybella kann einen stets aufs Neue mit dramatischen und tragischen Wendungen überraschen. Kaum denkt man, man hat sie durchschaut, enthüllt sie ein weiteres schockierendes Geheimnis, das sie in einem anderen Licht dastehen lässt. Sybella ist eine besondere Protagonistin, die zunächst ein wenig Zeit braucht, mit der Zeit aber immer stärker auftaut.

Bei so vielen handelnden Personen ist es unmöglich, jedem von ihnen gerecht zu werden. Auch wenn man sich zu einigen Figuren mehr Informationen gewünscht hätte, ist es Robin LaFevers erstaunlich gut gelungen, die vielen Charaktere so auftreten zu lassen, dass sie einem mehr oder weniger im Gedächtnis bleiben. Jeder von ihnen hat eine Aufgabe inne, die er oder sie im Handlungsverlauf zu erfüllen hat, und jeder von ihnen wird seiner Rolle gerecht. Obwohl ein paar Figuren oberflächlich bleiben, gibt es niemanden, den man einfach aus dem Buch streichen könnte, ohne damit das Gesamtbild zu stören. Einen besseren Kompromiss hätte die Autorin kaum finden können!

Das Wiedersehen mit den bekannten Charakteren aus "Grave Mercy" ist definitiv ein Highlight! Sie aus einer anderen Perspektive, aus der Sicht einer anderen Figur sehen zu können, rückt sie in ein völlig neues Licht. Plötzlich erkennt man Facetten an ihnen, die man ihnen im ersten Band noch nicht angesehen, nicht zugetraut hätte. Da bekommt man glatt Lust, den ersten Band mit den neuen Informationen noch einmal zu lesen und nach versteckten Geheimnissen zu suchen.

Ein wichtiger Charakter findet zwar häufig Erwähnung, taucht jedoch leider nicht persönlich auf: Annith, die Dritte im Bunde der tödlichen Freundinnen, die einem mit ihrer kindlichen und jungen Art eher zurückhaltend in Erinnerung blieb. Ihr stehen allerdings schwere Zeiten bevor... Im dritten und letzten Band der Trilogie wird Annith die Rolle der Protagonistin übernehmen. Wir dürfen nach den Ereignissen aus "Grave Mercy" und "Dark Triumph" sehr gespannt sein, wie es mit Annith weitergehen wird, werden uns aber leider noch ein wenig gedulden müssen.

Auf den ersten Seiten des Romans befindet sich die gleiche Karte über das Herzogtum Bretagne, die einem bereits in "Grave Mercy" unterstützend zur Seite stand, um die Orientierung nicht zu verlieren. Auch diesmal ist sie eine große Hilfe. Neben diesem tollen Bonusmaterial gibt es außerdem eine Übersicht aller handelnden Personen, mit denen es Sybella in "Dark Triumph" zu tun bekommt. Bei der großen Anzahl an Figuren ist das Register ein unverzichtbares Extra, in das man immer wieder hineinschaut, um einen Namen einer Person zuzuordnen. Besonders zu Beginn ist man für die Gedächtnisstütze dankbar, die es einem ermöglicht, leicht einen Anschluss an die Geschichte zu finden.

*Cover:*
Sybella, wie sie leibt und lebt. Ich bin und bleibe kein Fan von Figuren auf dem Cover, die einem die Möglichkeit nehmen, sich ein eigenes Bild zu den Charakteren machen zu können, aber ich muss zugeben, dass die Grafiker hier Sybella großartig getroffen haben.

*Fazit:*
"Dark Triumph", der zweite Band der "His Dark Assassin"-Reihe von Robin LaFevers, ist anders als "Grave Mercy". Die distanzierte Sybella übernimmt die Rolle der Protagonistin und bringt damit eine neue, viel ernstere Atmosphäre in die Trilogie. Sie setzt die Handlung düsterer, grausamer und geheimnisvoller fort. Die Geschichte verläuft zwar nicht ganz so rasant wie die des Vorgängers, aber dafür stehen hier die Charaktere, ihre Geschichten und ihre Schicksale viel stärker im Vordergrund - und bei einem tiefgründigen und geheimnisvollen Charakter wie Sybella bringt dies viele dramatische und tragische Überraschungen mit sich! "Dark Triumph" ist eben anders, aber auf eine eigene Weise gut, wenn nicht sogar besser! Ich vergebe 4 Sterne.