Rezension

Düsterer, magischer Auftakt einer vielversprechenden Trilogie

Die Dunkeldorn-Chroniken - Blüten aus Nacht
von Katharina Seck

Bewertet mit 4 Sternen

Der Einstieg zieht sich durchaus, aber man wird starkem Worldbuilding, vielschichtigen Figuren und einem poetischen Schreibstil belohnt.

Vielen lieben Dank an den blanvalet-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars!

Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

 

 

Aufmachung:

Es gibt zwei Gründe, aus denen ich überhaupt erst auf diese Reihe aufmerksam geworden bin: Erst einmal folge ich der Autorin auf Instagram, seitdem mich ihr Einzelband „Die letzte Dichterin“ restlos von ihrem poetischen Schreibstil überzeugen konnte. Der andere Grund: Diese unfassbar schöne Gestaltung der Bücher!

Die Cover sind allesamt sehr dunkel gehalten, wobei jedes einen anderen Unterton hat, dieses hier einen blauen. Der helle, leicht geschwungene Titel wird von einer Art Bilder- oder Spiegelrahmen umfasst, darum ranken sich dunkle Dornen und in der Mitte des oberen Drittels ist eine Blüte zu sehen. All das sieht nicht nur düster-märchenhaft aus, sondern bezieht sich ganz eindeutig auf die Pflanze, die der Reihe ihren Namen gibt und die in der Geschichte eine wesentliche Rolle einnimmt: den Dunkeldorn.

Das Cover ist dabei nicht nur ein Hingucker, der sofort alle Blicke auf sich zieht, sondern schafft beim Betrachter auch noch eine Atmosphäre, die der des Inhalts entspricht. Alles in allem also eine sehr gelungene und auch hochwertige Aufmachung!

 

 

Meine Meinung:

Meine Meinung zum Inhalt kann nur ähnlich positiv ausfallen.

Wie bereits erwähnt, war ich von dem bisher einzigen anderen Werk der Autorin, das ich gelesen habe, vor allem vom Schreibstil enorm begeistert. Insofern waren meine Erwartungen an die neueste Trilogie von Katharina Seck natürlich dementsprechend hoch, und genauso hoch war auch meine Ungeduld. Dass ich letztlich erst relativ „spät“ dazu gekommen bin, „Blüten aus Nacht“ zu lesen, liegt dagegen nicht etwa daran, dass ich zwischendurch kurzzeitig das Interesse an dem Buch verloren hätte, sondern schlicht und einfach an meiner miserablen Zeiteinteilung und dem Stress vor dem Examen. Ein Vorteil hat meine Bummelei allerdings: Inzwischen sind alle Bände der Trilogie erschienen, und sobald ich mir die Fortsetzung besorgt habe (was definitiv in den nächsten Wochen fest eingeplant ist!), kann ich „Ranken aus Asche“ und „Knospen aus Finsternis“ (das liegt hier schon bereit) hintereinander weglesen!

 

 

Und das ist definitiv auch nötig, wenn ich mir ansehe, wo „Blüten aus Nacht“ endet und welch starkes Fundament und großes Potenzial der Auftakt für die Reihe geschaffen hat – und auch angesichts des fiesen Cliffhangers am Ende dieses Buches!

 

Der erste Band der „Dunkeldorn-Chroniken“ hat zwar durchaus seine Schwächen – darauf gehe ich sogleich ein –, aber der Spannungsbogen im letzten Drittel, das Worldbuilding, die vielschichtigen Figuren und selbstverständlich der Schreibstil sind seine großen Stärken, die den Auftakt von anderen ersten Bänden von Fantasytrilogien abheben.

 

Bis man insbesondere den Punkt mit dem Spannungsbogen erkennt, braucht man allerdings durchaus einen etwas längeren Atem. Versteht mich nicht falsch: Angesichts des starken Worldbuildings, der sympathischen Protagonistin und der neugierig machenden Zwischenspiele wird man auch in den ersten zwei Dritteln genügend gefesselt, dass man nicht vor Langeweile gähnt oder genervt mit den Augen rollt. Im Nachhinein kann ich auch sagen, dass „Blüten aus Nacht“ diesen doch eher gezogenen Einstieg durchaus braucht und dass die Autorin ganz offensichtlich nicht gedankenverloren ausgeholt, sondern sich definitiv etwas dabei gedacht hat. Letzteres ist nur logisch, da sie ihre Geschichte natürlich am besten kennt. Allerspätestens im letzten Drittel, eigentlich auch schon früher merkt aber auch der Leser, dass sie sich zu allem Gedanken gemacht und ein großes Ganzes im Blick hat, das sich einem selbst erst nach und nach abzeichnet.

 

Damit eine Erzählung einen solchen Effekt hat, braucht es natürlich eines gewissen Vorgeplänkels und ein Ausholen ist unvermeidbar.

Auch dem Aufbau von Tensia mit seiner Hauptstadt Florensia, der Universität als eigenen kleinen Kosmos, und der Gepflogenheiten, Kultur und sozialen Strukturen der Gesellschaft kommt der lange Einstieg zugute. All dies schafft Katharina Seck mit einer solchen Detailverliebtheit und einer Echtheit, dass man als alles annimmt, was sie schreibt. Zwar braucht es eine Weile, bis man sich in der neuen Welt zurechtgefunden hat, und es sind (selbstverständlich) noch längst nicht alle Fragen beantwortet, aber das, was man hier liest, wirkt so echt, dass man geradezu vergisst, dass man liest.

Das ist in einem Fantasyroman, in dem alles neu geschaffen wird, natürlich unvorstellbar wertvoll, und das ist das, was mich bei „Blüten der Nacht“ von Beginn an in den Bann gezogen hat, auch wenn zunächst vor allem in dem Handlungsabschnitt, in dem Opal sich in der Universität einlebt, noch nicht viel passiert. Man lernt gemeinsam mit der Protagonistin die Welt und die Eigenheiten des Dunkeldorns kennen, stellt sich darauf ein, und beginnt, die Gegebenheiten zu verstehen, so Manches zu hinterfragen und eigene Theorien aufzustellen.

 

Im bereits oft genannten letzten Drittel dann beginnt der gesamte Aufbau endlich auf etwas hinauszulaufen, die bisher eingestreuten Hinweise, der Hauptplot, vermeintliche Nebenplots und das Zwischenspiel beginnen, sich zu einem roten Faden zusammenzufügen und man bekommt den Eindruck eines Gesamtbildes. Das wiederum führt dann allerdings nur dazu, dass man neue Theorien und Verdächtigungen aufstellt, dass sich neue Fragen auftun und man gar nicht mehr aufhören kann, mitzurätseln. Während also die ersten beiden Drittel dazu da waren, in die Handlung und die Welt einzuführen, zeichnet sich nun ab, dass sich die Geschichte in den Folgebänden zu einer spannenden, düsteren Fantasyreihe entwickeln wird, in der man gemeinsam mit der Protagonistin stets in Gefahr ist und niemals weiß, wem man trauen darf oder was die Wahrheit ist.

 

Um den Bogen zu oben zu spannen: Damit es möglich ist, dass sich das alles in dieser Weise zusammenfügen kann, ist es eben notwendig, dass durch einen langsamen Einstieg mit viel Liebe zum Detail in „Die Dunkeldorn-Chroniken“ eingeführt wird.

 

 

 

All das, was ich jetzt zum Plot gesagt habe, lässt sich mehr oder weniger auch auf die Figuren und die Protagonistin übertragen. Nach und nach werden die einzelnen Figuren eingeführt und vorgestellt, und der Leser bekommt einen kleinen Eindruck davon, welche Rolle wer in der Geschichte einnehmen wird.

Trotzdem weiß man bis zum Ende – und teilweise selbst da noch nicht! –, was wirklich hinter den Figuren steckt und was ihre wahren Motive sind.

Das macht nicht nur sie interessant, sondern trägt natürlich auch wesentlich dazu bei, dass man miträtselt und sich nicht von dem Gelesenen lösen kann.

 

Vor allem den Dornenprinzen habe ich noch nicht durchschaut. Ich bin mir nach wie vor nicht ganz sicher, ob er jemand ist, der bloß um sein eigenes Überleben kämpft und dabei vielleicht ein gutes Herz hat, ob er also eine Figur ist, die man in sein Herz schließen und für den man mitfiebern soll, oder ob er hingegen jemand ist, der andere zu seinem Vorteil nutzt und nur seine eigene Macht stärken will, oder ob nicht doch etwas völlig anderes hinter seiner Figur steckt.

Die Charakterisierung des Dornenprinzen ist widersprüchlich und mysteriös, aber nicht auf eine Art, die ihn zu einer unglaubwürdigen Figur macht, sondern dahingehend, dass er undurchschaubar, vielschichtig und unheimlich reizvoll und lebensecht erscheint.

 

„Aber sein Gesicht war nicht ruhig und besonnen und schön, es war vor Wut verzerrt. Die Wut verlieh ihm etwas Dunkles und Bedrohliches, sodass alle um ihn herum Abstand zu ihm genommen hatten, selbst die Professorin, die sonst nie vor irgendwem Angst gezeigt hatte.

Erst als sein Blick zu mir glitt, verrauchte der Zorn langsam, und er schenkte mir eines seiner seltenen Lächeln.“ (S. 290/400)

 

 

Opal, die Protagonistin, ist eine Figur mit einem starken Charakter, viel Selbstbewusstsein und einem gut ausgeprägten Moralkompass, die klug genug ist, zu wissen, wann sie sich wie verhalten muss, die aber trotzdem menschlich ist, Schwächen hat und auch mal Fehler macht. Man kann sich hervorragend in sie hineinversetzen und ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen nachvollziehen, selbst wenn sie sich anders verhält, als man selbst es an ihrer Stelle vielleicht getan hat. Das macht sie zu einer sympathischen Protagonistin, mit der man mitfiebert und die man gerne begleitet hat.

 

 

 

Abschließend möchte ich nur noch einige Worte zum Schreibstil verlieren.

Im Zusammenhang mit meinen Anmerkungen zum Worldbuilding habe ich bereits angesprochen, dass Katharina Seck unheimlich detailverliebt schreibt, und das spiegelt sich auch in ihrer Sprache wider. Sie spielt mit Worten und sprachlichen Bildern, erzählt viel zwischen den Zeilen und bewirkt mit ihrer poetischen Ausdrucksweise losgelöst vom Inhalt eine ganz eigene Art von Magie. Es gibt wenige AutorInnen, die mich alleine mit ihrer Art und Weise zu schreiben einnehmen können, und Katharina Seck ist eine davon. Ich freue mich auf die Fortsetzungen und auch auf viele andere Werke der Autorin, die ich noch lesen werde!

 

 

 

Fazit:

Man kann nicht leugnen, dass sich der Einstieg in „Blüten aus Nacht“ zieht. Vor allem in dem Handlungsabschnitt, in dem Opal sich in der Universität einlebt, passiert inhaltlich auf dem ersten Blick nicht allzu viel. Mit fortlaufender Handlung, insbesondere im letzten Drittel, kristallisiert sich jedoch heraus, dass das alles seinen Sinn und seine Berechtigung hat, und dass Katharina Seck hier ein viel größeres Bild zeichnet, als es zunächst den Anschein hat.

Im letzten Drittel läuft dann alles zusammen und das solide Grundgerüst für die Trilogie, das starke, detailreiche Worldbuilding und die mehrdimensionalen, vielversprechenden und gleichzeitig undurchsichtigen und daher spannenden Figuren werden deutlich. Zusammen mit einem fiesen Cliffhanger schreit „Blüten der Nacht“ förmlich danach, die Folgebände wegzusuchten, und getoppt wird das Ganze nur noch von einem poetischen Schreibstil, der viel mit Worten und Bildern spielt und zwischen den Zeilen erzählt.

4/5 Lesehasen.