Rezension

Düsteres Familienporträt

Männer sterben bei uns nicht -

Männer sterben bei uns nicht
von Annika Reich

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Anwesen am See und 8 Frauen, die dort leben. Über allem thront die namenlose Großmutter, eine elegante, aber manchmal auch grausame Frau, um deren Zuneigung alle buhlen: die Töchter Ingrid und Marianna, die Enkelinnen Leni, Luuise und Olga und – etwas abseits – Hausangestellte Justyna. Und die Männer? „Männer starben bei uns nie, Männer kamen und gingen.“ (S. 1) Nach dem Tod der Großmutter, fällt das ganze familiäre Konstrukt in sich zusammen.

„Männer sterben bei uns nicht“, aus der Feder von Schriftstellerin und Aktivistin Annika Reich, wird aus der Sicht der Protagonistin Luise in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt. Ausgehend von der Beerdigung der Großmutter in der Gegenwart, blickt sie immer wieder in die Vergangenheit zurück, indem sie assoziativ Verbindungen herstellt, zum Beispiel durch ein getragenes Schmuckstück oder einen umher flatternden Schmetterling.

Im Zentrum steht die Großmutter; wer nach ihren Vorstellungen lebt, den überschüttet sie mit Geschenken und Lob. Zum Liebling hat sie sich Luise auserkoren, die so zur Außenseiterin wird. Generell gelingt es der alten Dame, Schwestern und Cousinen gegeneinander auszuspielen und somit alle Beziehungen zu vergiften. Als Luises Schwester Leni als Teenager „rebelliert“, wird sie ins Internat geschickt. Lenis andere Großmutter Vera darf zwar auf dem Anwesen leben, ist dafür aber täglichen Demütigungen ausgesetzt.

Männer gibt es in der gesamten Geschichte keine. Der Großvater lebte von der Familie getrennt, dennoch musste die Illusion der Ehe erhalten werden. Luises und Lenis Vater machte sich nach Australien davon, mehr wissen wir nicht. Überhaupt wird im Roman vieles angedeutet, so zum Beispiel die Rolle der Familie im Dritten Reich. Die Großmutter verkörpert das, was als männlich verstanden wird: Macht, Reichtum, Gefühllosigkeit, doch auch sie ist in diesem Spiel aus vererbten Traumata und Schuld gefangen und hält alle anderen mit sich im Unglück fest.

Während ihre Mutter sofort nach dem Tod der Großmutter aus dem Anwesen auszieht, fällt es Luise schwer, loszulassen. Im Gegensatz zu allen anderen verbindet sie auch positive Erinnerungen mit dieser schwierigen Frau. Vieles will sie sagen, tut es dann aber doch nicht und das immer wieder im Verlauf des Romans. Doch am Ende muss sie sich positionieren, eine Haltung einnehmen und entscheiden, ob sie das Erbe ihrer Großmutter annehmen will.

Ein düsterer, aber auch allzu wahrer Roman über das, was Frauen einander antun, anstatt solidarisch zu sein.