Rezension

Durchaltevermögen gefragt

Unsere Hälfte des Himmels - Clarissa Linden

Unsere Hälfte des Himmels
von Clarissa Linden

Bei diesem Roman versprachen die Beschreibung und die Leseprobe etwas mehr, als das Buch zumindest anfangs halten konnte.

Wer allerdings das Durchhaltevermögen aufbringt und die ersten 180/ 200 Seiten wirklich liest, wird dann doch durch stetig wachsende Spannung und eine recht gute Geschichte belohnt. Wie gut, dass ich diese Rezension schreiben musste, daher durfte ich meinem anfänglichen Wunsch, mit der Lektüre aufzuhören, nicht nachgeben.
Durchhaltevermögen und Stärke mussten auch die Frauen beweisen, die in 20er und 30er Jahren Fliegerinnen waren bzw. werden wollten.
So wie Amelie und ihre beste Freundin Hanni. Ihre Geschichte spielt im Jahr 1935 und bereits erreichte Frauenrechte bzw. Frauenfreiheiten werden von den Nationalsozialisten sukzessive wieder zurückgedrängt. Amelie und Hanni wollen sich diesen gesellschaftlichen Normen ihrer Zeit nicht unterordnen und ihren Traum von Fliegen leben und sie wollen auch davon leben, sprich: damit Geld verdienen. Beide bewerben sich heimlich in Berlin bei der Bücker Flugzeugbau GmbH um einen Ausbildungsplatz. Wenn alles klappt, dann wollen sie gemeinsam nach Berlin gehen und auch zusammen dort wohnen. Ein Gedanke, den sich anfangs beide verbieten, ist die Frage, was passieren wird, wenn nur eine von ihnen eine Zusage bekommt. Aber schneller als erwartet tritt ein Mann ist Amelies Leben, ausgerechnet der Fluglehrer ihre besten Freundin. Ab diesem Moment gibt es Geheimnisse zwischen den beiden und die Freundschaft droht daran zu zerbrechen.
Ein zweiter Handlungsstrang spielt im Jahr 1971 und hier ist Amelies Tochter Lieselotte die Protagonistin. Lieselotte ist verheiratet, lebt in Kassel und erfährt durch einen Telefonanruf, dass ihre Mutter einen Unfall erlitten hat und in einem Frankfurter Krankenhaus im Koma liegt. Obwohl das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter nie besonders herzlich war, reist Lieselotte nach Frankfurt und quartiert sich für einige Tage in der Wohnung der Mutter ein. Im Krankenhaus erfährt sie, dass Koma-Patienten wahrscheinlich hören und fühlen, was um sie herum passiert, auch wenn es dafür keine erkennbaren Reaktionen gibt. Ihr wird nahegelegt, der Mutter vorzulesen und über Dinge zu sprechen, die schöne Erinnerungen wecken können. Von dieser Aufgabe ist Lieselotte völlig überfordert und so beginnt sie, in den Schränken der Mutter nach Aufzeichnungen oder Fotos zu suchen. Denn, das stellt sie mit Erschrecken fest, sie weiß noch weniger über Leben und Vergangenheit der Mutter, als ihr bewusst ist. Bei ihrer Suche nach Amelies Vergangenheit hilft ihr deren Nachbarin Marga, eine junge Studentin, die Lieselotte eher befremdlich findet und sich wundert, dass zwischen Mutter und Nachbarin ein freundschaftliches Verhältnis besteht. Erst durch Marga beginnt Lieselotte neben den Recherchen auf Amelies Spuren auch ihr eigenes Leben und ihre Ehe zu hinterfragen.
Beide Frauenfiguren, Amelie und Lieselotte, leben in Zeiten, die Frauen neben den allgemeinen politischen Ereignissen auch als Umbruchzeiten erlebten.