Rezension

Dystopie light

Wie Wölfe im Winter - Tyrell Johnson

Wie Wölfe im Winter
von Tyrell Johnson

Bewertet mit 2.5 Sternen

Irgendwann in der Zukunft: Die Menschheit hat sich nach verheerenden Kriegen und einer tödlichen Grippewelle stark dezimiert. Zu den wenigen Überlebenden gehören die 23-jährige Lynn und ihre Familie, die sich in den eisigen Wäldern Kanadas ein neues Zuhause geschaffen haben. Sie leben in kleinen Blockhütten, gehen auf die Jagd und bauen Gemüse an - ein hartes, aber unabhängiges, selbstbestimmtes Dasein. Als der mysteriöse Jax auftaucht, gerät die Familie in die Schusslinie von Immunity, eine Organisation, die mit skrupellosen Mitteln gegen den Grippevirus kämpft.

Von allen apokalyptischen Überlebensszenarien, die mir bisher in Buchform begegnet sind, gehört „Wie Wölfe im Winter“ von Tyrell Johnson zu den schwächeren. So sehr ich die stille, winterliche Kulisse und die grundsätzliche Idee mögen wollte, so rasant hat meine Begeisterung nachgelassen. Abgesehen von kleinen sprachlichen Kuriositäten ("Meine Muskeln labten sich an der plötzlichen Bewegungslosigkeit wie ein ausgetrockneter Mund an einem Smoothie."), war das größtes Manko für mich die totale Vorhersehbarkeit der Geschichte. Die Hintergründe der tödlichen Grippe und die Rolle von Lynns Familie sind so offensichtlich, dass sie einem ins Gesicht springen, werden aber bis fast zum Schluss fortwährend geheimniskrämerisch "angedeutet".

Dystopische Heldinnen habe ich leider auch schon toughere und clevere kennengelernt. Selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich um eine Coming of Age-Story handelt, muss eine Protagonistin nicht derart unüberlegt, sich selbst überschätzend handeln. Ohne Planung und Vorbereitung etwa rennt Lynn in die Wildnis und steckt kurz darauf direkt in Schwierigkeiten. Und das ist nicht die einzige Situation, in der sich Lynn kopflos in Gefahr begibt. Weder kam sie mir so hochbegabt vor, wie sie sein soll, noch so reif, wie man es von einer 23-jährigen erwarten würde. Ab dem Zeitpunkt, als der geheimnisvolle Jax ins Spiel kommt, verhält sie sich oft nur noch wie eine pubertierende Göre.

Es fehlt im Grunde an allen Ecken und Enden der Pfiff - insbesondere bei der Liebesgeschichte, die zwar nicht explizit sexuell wird, aber auch keine Chemie zwischen den Figuren spüren lässt. Die wenigen Schlüsselszenen sind furchtbar plump. Ein Mann. Eine Frau. Ein Schneesturm. Ein Iglu. Ach nein! Nein, nein, nein... auch in der größten Einöde, auch wenn die Apoklypse vor der Tür steht und man bei der Partnerwahl nicht mehr die größte Auswahl hat, muss das doch etwas subtiler und prickelnder gehen.

Der Vergleich mit „Die Tribute von Panem“, den man auf der Verlagsseite findet, ist letztlich reinste Marketingstrategie. Weder kann Lynn einer Katniss das Wasser reichen, noch wird je ein ähnliches Spannungsniveau erreicht. Während eintöniger Märsche durch Schnee und Eis, überraschungsloser Erinnerungsfetzen und voraussehbarer Kämpfe mit pappfigurartigen Bösewichten, die nur dazu da sind, um umzufallen wie die Fliegen, ging mein Interesse peu à peu verloren. Das Ende dann… das letzte absehbare Füllstück in einer zu einfach gestrickten Geschichte.