Rezension

Dystopie mit beunruhigendem Thema, richtig gut!

Vollendet - Neal Shusterman

Vollendet
von Neal Shusterman

Bewertet mit 5 Sternen

Das Buch „Vollendet“ von Neal Shusterman ist im Verlag Sauerländer erschienen. Es wird dem Roman aber nicht gerecht ihn nur als Jugendbuch einzuordnen, da ich ihn für Erwachsene gleichermaßen interessant finde. Die Geschichte ist eine Dystopie, die ihn der nahen Zukunft spielt. In einem Krieg der Abtreibungsbefürworter gegen Abtreibungsgegner wurde mit der Unterzeichnung der „Charta des Lebens“ ein Waffenstillstand geschlossen. Die Charta sieht vor, dass menschliches Leben bis zum Alter von 13 Jahren auf jeden Fall zu schützen ist. Abgetrieben werden darf nicht mehr. Es gibt allerdings die Möglichkeit des „Storchens“ indem man sein Neugeborenes einfach vor irgendeine Haustür legt und der Finder muss (!) es behalten. Doch dann im Alter von 13 bis 18 Jahren, wenn die menschlichen Körperteile auf die Größe Erwachsener herangewachsen sind und dadurch für Jedermann als Organspende nutzbar werden, besteht die Möglichkeit, den Jugendlichen an den Staat sozusagen zurückzugeben. Im Buch werden diese Jugendlichen „Wandler“ genannt. Sie werden nicht getötet, sondern im Sinne der Charta gewandelt d.h. ihre Körper werden vollständig weiterverwertet und leben in anderen fort.  Zurückgegeben werden können z.B. Störenfriede (dadurch erspart der Staat sich Therapie- und Jugendgefängniskosten), Waisenkinder (hier spart der Staat Heimkosten) oder auch Zehntopfer die im Namen des Glaubens „geopfert“ werden. Ärzte werden nicht mehr als Heiler benötigt, sondern fast nur noch in der Form von Chirurgen. Es gibt zu wenig Organspender und von den Wandlern erhält man bei einer Transplantation, insofern man es sich leisten kann, auch größere Teile als allgemein üblich. Dadurch ergibt sich die zentrale Frage des Buchs: Wenn jeder Teil von dir in einem anderen weiterlebt, lebst du dann auch noch oder bist du tot?

Der Roman erzählt von den Wandlern Colin und Risa, die beide vor der Wandlung fliehen. Werden diese lebenswilligen Jugendlichen, die sich gegen den Staat stellen am Ende der Umwandlung entgehen  und wird sich Lev, der dritte Protagonist, den die beiden zunächst als Geisel nehmen, sich seiner Rolle als Glaubensopfer stellen? Das Buch beschäftigt sich in einer packenden Story mit ernsten Problemen über die es sich nachzudenken lohnt. Wäre eine Problemlösung von Abtreibung und zu wenig Organspendern durch solch eine Charta tatsächlich denkbar?  Ich finde die aufgezeigte Lösung richtig gruselig. Allerdings lässt mich das „Zehntopfer“ auch an Opferrituale der Mayas und des alten Testaments denken. Und bis heute sind in Kriegen sicher genug Schützen unterwegs, die im Auftrag des Staates auf jeden Gegner schießen um diesen auszulöschen. Da komme ich schon ins Grübeln, wie groß die Macht des Staates sein kann …

Die Übersetzung des Romans ist gelungen, er liest sich flüssig. In kurzen Kapiteln wird zwischen den je Handelnden hin und her gewechselt. Entsprechend der handelnden Person(en) ist das Kapitel übertitelt, so dass es einfach ist sich zwischen den Schauplätzen zu orientieren.  Mich hat die Idee des Romans fasziniert und ich empfehle ihn gerne weiter.