Rezension

Dystopie mit interessantem Plot, einigen Längen und wenig Erklärungen

Partials 01. Aufbruch - Dan Wells

Partials - Aufbruch
von Dan Wells

Bewertet mit 3.5 Sternen

In einer fernen Zukunft leben die Menschen in Angst vor gefährlichen Supersoldaten, die sie selbst gezüchtet haben.
Und langsam sterben die letzten Überlebenden aus.

Kira Walker kennt nur diese eine Welt, in der bereits seit Jahren jedes gerade geborene Baby spätestens nach einem Tag einer unheilbaren Krankheit erlegen ist. Zudem lauern an den Grenzen ihres Zuhauses in Long Island die Partials, genetisch veränderte Wesen, die einst die Kriege für ihre Erschaffer führten und sich dann gegen sie wandten. Sie sollen auch für das Virus verantwortlich sein, das so viele getötet hat und der Menschheit eine Zukunft verwehrt.
Um ein Gegenmittel zu finden und sich vor dem Schmerz zu bewahren, selbst ein Kind zu verlieren, beschließt Kira, auf eigene Faust etwas zu unternehmen. Sie will einen der Partials aufspüren und aus ihm herauszubekommen, wie sie ihren Leuten helfen kann.
Doch bei dieser Suche stellen sich ihr nicht nur ihre Feinde in den Weg, sondern sie provoziert auch Widerstand von unerwarteter Seite. Und schon muss sie sich fragen, ob all das stimmt, was sie über die Vergangenheit weiß.
 

 

Über die Partials-Reihe habe ich schon einiges gehört und das Cover hatte mich irgendwie sofort angesprochen. Auch wenn mich die Inhaltsangabe an Dark Canopy erinnerte, konnte mich das Buch nicht so mitreißen wie das Werk von Jennifer Benkau.
Zum kleinen Teil lag das mit an den Figuren. Eigentlich gelingt es Dan Wells im Weitesten, glaubhafte und gut durchdachte Charaktere zu schaffen. Ihre Motive und Beweggründe werden plausibel und nachvollziehbar dargestellt, gerade bei Kira, der Hauptheldin, die so versessen darauf ist, RM zu heilen und alles dafür zu tun, um das Baby ihrer besten Freundin zu retten. Ihre heimliche Angst, selbst zu einer Gebärmaschine und später zu einer der völlig am Boden zerstörten Mütter zu werden, macht ihre Entschlossenheit umso verständlicher. Doch manchmal erscheint sie mir etwas zu überlegt, zu kühl für ihr Alter. Immerhin ist sie noch ein Teenager, bleibt aber meist rational und zu ruhig für meinen Geschmack. Gleichzeitig reagiert sie manchmal zu unvorhersehbar emotional, was nicht dazu passen will.
Ähnlich erging es mir auch bei ihren Freunden, unter denen die temperamentvolle Xochi noch am ehesten positiv heraussticht: Jeder unter ihnen hat seine individuelle Persönlichkeit und wirkt nicht unrealistisch, allerdings fehlt ihnen eine gewisse Lebendigkeit. Zu dem Einzigen, zu dem dies wirklich passt, das ist Samm, der Partial, mein heimlicher Favorit unter den Protagonisten, über den ich gerne mehr erfahren würde.

 Der flüssige Schreibstil ist angenehm zu lesen und fängt viel von Kiras Wesen ein, da er hauptsächlich kurz gehalten und mit vielen Beschreibungen gespickt ist. Dadurch kann man sich das zukünftige New York mit all seinen leeren Straßen und verfallenen Häusern sehr bildlich vorstellen und mir hat diese Version von Manhattan unglaublich gut gefallen. In der Hinsicht hat der Autor bewiesen, dass er einen mit mitreißenden Ereignissen fesseln und einem lebhafte Bilder in den Kopf pflanzen kann. Auf die Art kommt sein interessanter Plot rund um die Partials und die Menschen, die sich in ihrer Zuflucht verschanzen und mit rigorosen Gesetzen ihren eigenen Untergang verhindern wollen, toll zur Geltung.
Leider verliert sich Wells dabei oft in der Handlung, sodass sich besonders der Anfang und der Mittelteil enorm hinziehen. Zwar haben mir die medizinischen Erläuterungen einen ausreichenden Einblick in die Thematik verschafft. Trotzdem erschlagen sie einen mitunter, sodass man Absätze mehrmals lesen muss, um die Zusammenhänge zu verstehen. Dagegen werden wichtige Hintergründe gar nicht beziehungsweise kaum abgehandelt, sodass man über bestimmte Sachverhalte wie zum Beispiel Die Stimme völlig im Unklaren gelassen wird. Ich hoffe mal, der zweite Band wird in der Hinsicht mehr enthüllen.

 

 

Dan Wells’ Auftaktband zu seiner Dystopienreihe Partials ist ein etwas holpriger Einstieg in die ganz eigene Version des Autors von der Zukunft. Im Grunde genommen machen der interessante Plot, die gut durchdachten und plausibel erklärten Figuren und ein flüssiger, angenehm zu lesender Schreibstil machen Aufbruch zu einem empfehlenswerten Buch.
Doch die Längen zu Anfang und in der Mitte der Geschichte, die wenigen Erläuterungen zu wichtigen Hintergründen und der fehlende letzte Pfiff bei der Charaktergestaltung haben mich leider zu sehr gestört.
Wer ein Fan von Endzeitgeschichten ist, sich für medizinische Ausführungen interessiert, die alles logisch untermauern, erwachsene und rationalere Teenager bevorzugt und ein heimliches Faible für New York hat, dem kann ich den Roman wirklich ans Herz legen.