Rezension

dystopisch, aktuell und gut geschrieben

Unsre verschwundenen Herzen
von Celeste Ng

Bewertet mit 4 Sternen

Celeste Ng legt den Finger in die Wunde ihrer Zeit. Sie zeigt uns ganz offen wohin der aktuelle Trend mit Bezug auf Rassismus und Klassismus uns führen kann.

Die gefeierte Autorin Celeste Ng der Bücher „Was ich euch nicht erzählte“ und „Kleine Feuer, überall“ zeigt mit ihrem neuesten Roman „Unsre verschwundenen Herzen“ eine dystopische Zukunft auf, welche sich nur allzu realistisch anfühlt.

In den USA kommt es zu einer schleichenden und immer schlimmer werdenden Inflation, bis sie schließlich in einer Wirtschaftskrise gipfelt, die das ganze Land betrifft.
Ein Verursacher für diese Krise wird zunächst unterschwellig, später dann immer rasanter und klarer benannt: China, ferner alle asiatisch aussehenden Menschen werden als Bedrohung und Saboteure wahrgenommen.
Als Gegenmittel wird das Gesetz „PACT“ (Preserving American Culture and Tradition) eingeführt. Ein Gesetz, welches die amerikanischen Ideale und Werte schützen soll.
Dadurch kommt es erst schleichend, aber unvermeidlich zu einem autoritären Überwachungsstaat, der die Bevölkerung ermutigt sich gegenseitig auszuspionieren.
Die anti-asiatische Stimmung wird schnell aggressiver. Dabei ist es völlig gleich ob diese Menschen sich nach dem „PACT“ richten oder nicht. Die Bevölkerung darf zur Lynchjustiz greifen und muss mit keiner konkreten Bestrafung rechnen.
Nichtsdestotrotz gibt es auch Widerstände gegen das neue Gesetz in der Bevölkerung. Allerdings werden Proteste mit Polizeigewalt niedergerungen sowie Aufklärung durch Medienschaffende und Andersdenkende im Keim erstickt. Als beliebtes Mittel wird unter anderem das gewaltsame Entreißen von Kindern aus ihren Familien genommen.

Mitten in dieser düsteren Zeit wächst Bird auf.
Sein Vater ein Amerikaner, seine Mutter ebenfalls Amerikanerin, allerdings chinesischer Abstammung. Sie verlässt eines Tages die Familie und für Bird bleibt nur die Sehnsucht nach ihr und viele ungeklärte Fragen.
Anfänglich ist er bereit alle gegebene Regeln zu hinzunehmen. Als Bird allerdings eines Tages einen Brief mit den Zeichnungen seiner Mutter erhält, ist sein Wunsch geweckt sie zu finden und endlich zu erfahren warum sie ihn verlassen hat.

Eine dystopische Geschichte aus dem Blickwinkel eines 12 jährigen Kindes zu schreiben ist spannend und zu gleich nicht einfach. Schafft die Autorin es glaubhaft das Geschehene zu vermitteln ohne ihren jungen Protagonisten zum Helden zu stilisieren? Ich finde, sie hat es geschafft.
Bird ist ein empfindsamer Junge, der sich sehr glaubhaft verhält. Oft war ich sogar erschrocken über seine Handlungen, die er ohne an die weitreichenden Konsequenzen abzuschätzen durchzieht.
Allerdings fehlten für mich eindeutig in paar weitere Figuren, die die Geschichte hätten weitertragen können. Bird und seine Mutter Margaret erzählen ihren Part sehr interessant. Allerdings blieben die Nebenfiguren und deren Wege einfach nur angerissene Geschichtsstränge, aus denen man gut und gerne mehr herausholen hätte können. Potential war dafür definitiv vorhanden gewesen.
Dadurch blieb das Buch etwas zu oberflächlich, eröffnet allerdings einen gut zugänglichen und leichten Einstieg in die Thematik über Rassismus.

Die Verfolgung von verschiedenen Minderheiten, die Angst vor dem Fremden und Andersartigen greift immer weiter um sich. Meldungen dieser Art gibt es heutzutage regelmäßig.
Es ist wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen und nicht wegsehen wenn Unrecht passiert.
Mit ihrem Werk „Unsre verschwundenen Herzen“ bringt uns die Autorin noch einmal nah, wie leicht ein System entarten kann, welches doch so modern und funktional anmutet, im Grunde aber auch sehr fragil ist.