Rezension

Eben nur fast genial

Fast genial - Benedict Wells

Fast genial
von Benedict Wells

Bewertet mit 4 Sternen

Benedict Wells gilt als Ausnahmetalent in der deutschen Literaturszene. Gerade mal 23 Jahre war er alt, als sein Roman „Becks letzter Sommer“ bei Diogenes erschien – Wells war damals der jüngste Autor, der bei dem Verlag unter Vertrag stand. Sein ursprünglich erster Roman „Spinner“, den er mit gerade mal 19 Jahren schrieb, wurde in paar Jahre später ein ebenso großer Erfolg. Auch ich fand Wells beide ersten Romane sehr bemerkenswert. Umso gespannter war ich nun auf seinen dritten Roman „Fast genial“, den er ja nach seinem Durchbruch verfasste. So viel kann ich schon mal sagen: Der Roman war gut, allerdings hat Wells meiner Meinung nach deutlich einen Schritt zurück gemacht.

Wells hat seine Geschichte diesmal in die USA verlegt. Hauptfigur ist der Teenager Francis Dean, der ein klassisches Loser-Dasein führt. Zusammen mit seiner psychisch kranken Mutter lebt er in einem Trailerpark. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, in der Schule hat Francis auch seine Probleme und wer sein Vater ist, weiß er nicht. Da offenbart ihm seine Mutter eines Tages, die Wahrheit über seinen Erzeuger. Für Francis gibt es jetzt nur noch ein Ziel: Er will seinen leiblichen Vater finden. Denn er ist der festen Überzeugung, dass diese Begegnung sein Lebensschicksal ändern könnte. Ein wilder Roadtrip quer durch die USA beginnt. Die Idee hinter der Geschichte hat mir ganz gut gefallen – es geht um die Suche nach Glück und Erfolg. Aber vor allem um die Frage, in welchem Maß Genetik das Leben eines Menschen bestimmt. Der Roman ist durchaus unterhaltsam, intelligent gemacht und hat auch ein paar tiefgründige Momente. Nicht ganz so begeistert – auch im Vergleich mit Wells Vorgängerwerken – war ich diesmal aber vom Schreibstil. Wells schreibt flott und leicht, gefehlt hat mir aber das Besondere. Es gab keine intensiven Gefühle, keinen eigenen Humor, keine leisen Zwischentöne. Wells hat es auch nicht richtig in den Griff bekommen, die Gedanken und Gefühle seiner Protagonisten richtig zu schildern. Auch die Roadtrip-Stationen haben nichts atmosphärisches, sondern sind im Gegenteil eher sehr klischeehaft. Das Ende hingegen war wiederum sehr genial.

Im Großen und Ganzen: eine unterhaltsame Geschichte mit einem innovativen Plot, sprachlich aber nicht herausragend und ab und an zu wenig plastisch erzählt.