Rezension

Echt erschreckendes Familiendrama

Das wirkliche Leben - Adeline Dieudonné

Das wirkliche Leben
von Adeline Dieudonné

Bewertet mit 4 Sternen

"Das wirkliche Leben" ist ein unglaublich erschreckendes Familiendrama, da es von Gewalt erzählt, die sich komplett über die Story erstreckt und mich mitunter regelrecht erschüttert hat. Das Mädchen selbst, welches sich hier offenbart in all ihren Emotionen, bleibt namenlos. Dieses ist für mich regelrecht schockierend, denn ihre Geschichte ist ab Beginn grausam und entwürdigend, obwohl es auch den einen oder anderen schönen Moment bieten kann, bleibt die Grundstimmung traurig und düster. Nach einem Unfall, der für das Mädchen und ihren Bruder sehr traumatisch ist, beginnt der Bruder sich zu verändern, verliert sein Lachen und das ist, womit das Mädchen schwer zu kämpfen hat. Sie flieht in ihren Wissensdurst rund um die Wissenschaft und muss dennoch hilflos mit ansehen, zu welch Taten ihr Bruder fähig ist. 
Der Schreibstil ist sehr nüchtern gehalten und aufgrund der Leseprobe wusste ich, was mich erwartet, dennoch hegte ich die Hoffnung, dass hier Traumata verarbeitet werden. Leider musste ich feststellen, das die Handlung sich immer mehr zuspitzt und die Finsternis in denen sich die Heranwachsenden befinden einen Namen hat. Es ist nicht die Tiersammlung, die der Vater erlegt hat als begeisterter Jäger, sondern der Vater selbst, der Angst und Schrecken verbreitet. Hier werden einige Tabuthemen verarbeitet, die definitiv zu Überforderung führen können. Es ist schrecklich, wenn Kinder in solch einem Umfeld des Grauens groß werden und regelrecht wehrlos sind. Die inszenierte Jagd vom eigenen Vater organisiert ist das I-Tüpfelchen der Grausamkeit und zeigt dessen Lieblosigkeit sehr deutlich. Es ist als würde das Mädchen nur auf Zehenspitzen laufen, um nicht den Zorn des Vaters herauf zu beschwören. 
Insgesamt eine sehr gelungene runde Geschichte, die aber eben auch in manchen Punkten überfordernd wird, insbesondere an Menschen deren Kindheit selbst von Gewalt beherrscht worden ist. In diesem Fall lasst die Finger von dem Buch, denn es wird sicherlich die eine oder andere Wunde erneut öffnen!