Rezension

Eddas Weg in die Freiheit

Die Stille zwischen Himmel und Meer - Kati Seck

Die Stille zwischen Himmel und Meer
von Kati Seck

Bewertet mit 3 Sternen

Vor fünf Jahren gelang es der damals 17jährigen Edda, aus dem Keller zu entkommen, in dem sie Isolde, die sie als fünfjähriges Mädchen in einem unbeaufsichtigten Moment vom Kindergartenspielplatz entführt hatte, gefangen hielt.
Therapeuten, Psychologen und nicht zuletzt die leibliche Mutter, zu der sie nur schwer Zugang findet, helfen ihr, die zwölf Jahre Gefangenschaft zu verarbeiten, doch auch noch Jahre nach der Befreiung ist es Edda nicht gelungen, in ein Leben zu finden, das sie erst so spät kennenlernte.
Sie leidet unter vielfältigen Ängsten und Panikreaktionen und ist unfähig, Nähe zuzulassen und Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen außer zu ihrer Entführerin, die längst tot ist.
Eines Tages beschließt die junge Edda, an die Nordsee zu reisen und sich dort ihren Ängsten zu stellen - denn Meer, der weite Himmel und ungebändigte Naturgewalten sind es, wovor sie sich am meisten fürchtet....

Die Autorin Kati Seck nimmt den Leser mit auf Eddas Reise in die Freiheit, lässt ihn teilhaben an ihren mutigen Versuchen, ihre lange Gefangenschaft endgültig hinter sich zu lassen, sich endlich dem Leben zu stellen und seine vielfältigen Herausforderungen ohne Angst anzunehmen.
Dabei verwebt sie die Gegenwart immer wieder mit Eddas Vergangenheit, die in Rückblicken den zweiten Handlungsstrang bildet, wodurch sich schließlich ein Gesamtbild ergibt, das freilich nicht komplett ist und einige Lücken aufweist, die man vielleicht zu füllen gewünscht hätte, um nicht nur Edda sondern auch die übrigen Charaktere, die in dem Roman eine Rolle spielen, besser zu verstehen und ihre Handlungsweisen nachvollziehen zu können.

Gewiss, Eddas Schicksal berührt und schockiert, kann niemanden kalt lassen. Doch wirklich in sie hineinversetzen kann man sich nicht.
Möglicherweise ist dies auch zu viel verlangt, ist dies unmöglich und gelingt nur jemandem, der sich selbst in einer vergleichbaren Situation befunden hat, der mühsam lernen musste, sich im Leben wieder zurechtzufinden nach Schicksalsschlägen, die dennoch keineswegs so tragische Ursachen haben müssen wie Eddas.

Was zweifellos zu bewundern ist, sind Eddas Mut, ihre geradezu verzweifelte Entschlossenheit und die Zähigkeit, mit denen die Autorin sie ausstattet, ist die Art und Weise, wie sie in den drei Wochen, die sie an der Nordsee verbringt, mehrfach zurückgeworfen wird in ihren Bemühungen und sich schließlich in einer äußerst dramatischen Situation bewähren muss.
Und genau letztere ist es, die mir unglaubwürdig und doch ein wenig an den Haaren gerbeigezogen erscheint, ebenso wie die Auflösung der Geschichte, für die mir gleichsam das Versatzstück zur Haupthandlung fehlte.

Gut gelungen jedoch ist der Autorin die Beschreibung der wilden Natur, in der sie die Protagonistin ihres Romans ihre Ängste überwinden lässt und mit der sie wechselnde Stimmungen einfängt, die in Edda ihren Widerhall finden und dem Leser darüberhinaus eine klare Vorstellung der Landschaft geben, in der die Handlung angesiedelt ist, einen Eindruck ihrer Gewaltigkeit und Unendlichkeit, aber auch der Gefahren, die darin verborgen liegen.
Ja, ein Ort, an dem man auch auf weniger spektakuläre Weise und ganz allmählich zu sich selber finden kann!