Rezension

Egoistischer Hauptprotagonist

Am Ende bleiben die Zedern - Pierre Jarawan

Am Ende bleiben die Zedern
von Pierre Jarawan

Zum Inhalt

Mit "Am Ende bleiben die Zedern" ist dem Autor Pierre Tarawan ein respektables Debüt gelungen.
Gleich zu Beginn erleben wir eine Familie, wie aus einem Bilderbuch. Samir und seine Eltern ziehen in ein altes, wunderschönes Haus.  Der Vater bringt die Satellitenschüssel auf dem Dach an. Hakim, sein bester Freund, versucht von unten zu helfen.
In der Siedlung stehen bei jedem die Türen offen. Man feiert zusammen Feste und einer hilft dem anderen.
Samirs Eltern sind vom Libanon nach Deutschland geflüchtet. Der Vater hatte von Anfang an alle Sympathien. Im Flüchtlingslager hat er jede Gelegenheit genutzt um Deutsch zu lernen. Die anderen Flüchtlinge hat er mit fantastischen Geschichten unterhalten.
Samir liebt seinen Vater abgöttisch. Die Geschichten die im dieser erzählt, hat er eigens für Samir erfunden.
Die Mutter ist eine hübsche, fleißige Frau. Sie macht sich einen guten Namen, indem sie für andere Frauen wunderschöne Kleider näht.
Hakims Tochter Yasmin ist Samirs beste Freundin. Yasmin ist zwar zwei Jahre älter als Samir, behandelt Samir jedoch wie einen Gleichaltrigen.

Alles könnte so schön sein, wenn Samirs Vater nicht auf einmal so eigenartig werden würde. Jeden Tag hört er seine Eltern streiten. Jeden Tag erhält der Vater einen Anruf und verschwindet daraufhin für Stunden.
Samir ist verstört. Sein Vater beachtet ihn kaum noch. Samir macht eine Entdeckung, von der er nicht weiß, was er halten soll. Samir ist überglücklich, als der Vater eines Abends die Geschichte für Samir weiter erzählt. Es ist das Ende der Geschichte. Es ist das Ende für Samir. Sein heißgeliebter Vater verschwindet.

Meine Meinung

Als ich begonnen habe diese Geschichte zu lesen, wurde ich förmlich in das Buch hineingezogen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Libanesen und die warmherzige Art, wie sie miteinander umgingen, haben mir gut gefallen.
Man erfährt viel aus der Sicht der Flüchtlinge und versteht sie um einiges besser.
Die Liebe zu seinem Vater hatte, meiner Meinung nach, nicht nur Gutes. Als der Vater verschwunden war, mied er seine beste Freundin Yasmin. Einen Freundeskreis hatte er nicht. Jahrelang wartete er auf die Rückkehr vom Vater. Jahrelang trauerte er um den Geschichtenerzähler und Poeten.

Ich konnte Samir schon verstehen; jedoch gefiel mir das Verhalten seiner Mutter gegenüber nicht. Der Vater blieb immer heilig und unerreichbar. Der Mutter gestand er nach Jahren nicht mal zu, dass sie wieder anfing glücklich zu werden. Seine kleine Schwester hatte er nie richtig wahrgenommen. Diese hätte aber ihren großen Bruder dringend gebraucht.
Trotz seiner Trauer fand ich sein Verhalten unmöglich. Als Teenager sprach er dem Alkohol zu und spielte mit den Gefühlen der Mädchen. Irgendwie gewann ich den Eindruck, dass er nur mitbekam, was ihn selber betraf. Samir war nicht der Einzige, der Verluste hinnehmen musste. Er erwartete von anderen alles; gab selber jedoch nichts. Mit der Wahrheit nahm er es auch nicht so genau, was ihm seinen Arbeitsplatz in einer Bibliothek kostete.
Mir ist schon klar, dass es sich in dieser Geschichte um eine andere Mentalität handelt. Obwohl Samir in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, verspürt er Sehnsucht nach dem Libanon. Das dürfte den Erzählungen des Vaters geschuldet sein und dem Drang seinen Vater aufzuspüren.
Der erwachsene Samir beschließt in den Libanon zu reisen. Bewaffnet mit dem Tagebuch- und Geschichten seines Vaters, macht er sich auf die Suche. Ein Taxifahrer wird zu seinem ersten, echten Freund. Samir ist vom Libanon begeistert. Er spürt, irgendwo muss sein Vater sein. Seine Reise durch den Libanon und die Bekanntschaften die er macht, sind Abenteuer pur. Die verschiedenen Religionen machten sich bemerkbar. Samir wusste, dies kann nicht die Heimat sein, von der sein Vater sprach. Vieles hatte sich verändert.

Fazit

Samir konnte ich Anfangs gut leiden. Mit jeder Seite verschwand jedoch ein Stück mehr meiner Sympathie für ihn. Ich kann wirklich verstehen, dass der Verlust eines Vaters, das Leben eines Kindes beeinflusst. Noch dazu, wenn man nicht weiß, was aus ihm geworden ist. Es entschuldigt aber in keinster Weise Samirs unmögliches Verhalten. Seiner Mutter hatte er einmal Hilfe verweigert, was verheerende Folgen hatte. Oft dachte ich mir beim Lesen: >>Mein lieber Samir, wer kümmert sich um dich? Wer ermöglicht dir ein gutes Leben zu führen? Dein Vater? NEIN! Deine Mutter!!!<<
Dass Samir seinen Vater gesucht hatte, konnte ich nachvollziehen.
Besonders gut gefiel mir die Idee mit den erfundenen Geschichten des Vaters. Es sollte sich herausstellen, dass es die erfundenen Wesen wirklich gibt. Stück für Stück kommt Samir der Wahrheit ein Stück näher.

Die Beschreibungen des Orients gaben mir das Gefühl, Samir auf seiner Reise zu begleiten. Der Schreibstil ist magisch. Man fliegt durch die Seiten. Die Idee des Buches fand ich einfach nur genial.
Yasmin konnte ich nicht verstehen. Sie hatte meiner Meinung nach, zuviel Verständnis für Samirs unmögliches Verhalten ihr gegenüber. Auch sie musste einen schweren Verlust hinnehmen. Ihren Vater Hakim konnte ich sehr gut leiden. Er war immer da, wenn man ihn gebraucht hatte. Er behandelte Samir wie einen Sohn.

Diese Geschichte zu bewerten fiel mir unheimlich schwer. Irgendwann bin ich einfach mit dem Verhalten von Samir nicht mehr klar gekommen.
Ein kleines Kästchen aus Zedernholz war das letzte Geburtstagsgeschenk seines Vaters. Samir bewahrte ein Dias darin auf. Von den Zedern war Samir sehr beeindruckt. Wenn nichts mehr da sein wird, die Zedern bleiben bestehen!

Ob mir das Ende gefallen hat? Nein! Es gibt nicht für alles eine Entschuldigung. Gesunder Egoismus muss sein. In dieser Geschichte empfand ich ihn zuviel.

Ein Sprichwort aus dem Buch: >>Wer glaubt, er habe den Libanon verstanden, dem hat man ihn nicht richtig erklärt.<<

Ich konnte vieles nicht ganz verstehen. Trotz meine Kritikpunkte ein lesenswertes Buch.

Danke Pierre Tarawan.