Rezension

Eher ein guter Roman als Thriller

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg. - Julie Clark

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.
von Julie Clark

Bewertet mit 4 Sternen

Am Flughafen in New York ergibt sich eine folgenschwere Situation: Claire und Eva tauschen die Tickets. Während Claire auf diese Weise vor ihrem übergriffigen Mann flieht, heckt Eva einen völlig anderen Plan aus.

Obwohl „Der Tausch“ von Julie Clark als Thriller geführt wird, ordne ich es eher als Roman mit Spannungsmomenten ein, weil es doch am nötigen Spannungsniveau fehlt. Jedenfalls ist es eine gute Geschichte, die ich auf jeden Fall empfehle. 

Zuerst lernt der Leser Claire kennen. Sie ist in einer aussichtslosen Lage. Ihr Mann ist ein prominenter Politiker, der nach Außen mit schönem Schein zu blenden weiß. Kaum jemand ahnt, wie übergriffig er sich gegenüber seiner Frau verhält, welche Kontrolle er über die kleinsten Details ihres Lebens ausübt, und wie brutal er wird, wenn ihm etwas zuwider läuft. 

Daher spinnt Claire einen Plan, um der Ehehölle zu entgehen. Doch weil sich die Realität nicht gern in Pläne zwingen lässt, geht einiges schief und sie bekommt es mit der Angst zutun. 

Aus dieser Situation heraus begegnen sich Claire und Eva am Flughafen in New York, wo sie kurzerhand die Plätze tauschen, weil Eva ebenfalls auf der Flucht vor ihrem aktuellen Leben ist. 

Die Ausgangslage ist auf jeden Fall interessant und bietet reichlich Konfliktpotential. Anfangs erlebt man Claires Ehehölle und merkt, dass es für sie realistisch betrachtet kein konventionelles Entrinnen daraus gibt. Dann schöpft man kurz Hoffnung, steht vor einem Scherbenhaufen und in dem Moment taucht Eva als Rettungsanker auf. Als Leser ist man Claire um einiges voraus, weil man sofort weiß, dass Eva nicht mit offenen Karten spielt. 

Im weiteren Verlauf steht Eva im Mittelpunkt. Anhand von Rückblenden erfährt man, welcher Weg sie zu diesem Moment an Flughafen führte. Gleichermaßen ist man mit Claire der Entschlüsselung von Evas Geheimnis auf der Spur, weil sie sich ihrer Identität bedient, um über die Runden zu kommen.

Der Roman fängt mit einem Knall an und ist extrem fesselnd erzählt. Ich empfand es als bedrückend, wie Claire in dieser Ehefalle sitzt und kaum an einen Ausweg zu denken wagt. Im Gegensatz dazu steht Eva, die zwar frei und auf den ersten Blick unabhängig ist, dennoch das Bild einer eingesperrten Frau in sich trägt, weil auch sie in ihrem Leben gefangen ist.

Thematisch spielt Julie Clark vermutlich auf gesellschaftliche Fesseln von Frauen an, die sich nur durch Taktik und feinfühligen Überlegungen gegen eine Männerwelt behaupten. So ganz kann ich das nicht unterschreiben, weil meiner Ansicht nach Männer gleichfalls in ihrem Rollenbild und in gesellschaftlichen Verpflichtungen gefangen sind. Dennoch gefällt mir, dass die Autorin ihre weiblichen Figuren in Grauschattierungen beschreibt, und zeigt, dass der erste Eindruck trügt. 

Die Handlung war nach dem spektakulären Tausch und einem tragischen Flugzeugabsturz eher interessant anstatt spannend. Mich haben vor allem die Rückblicke auf Evas Leben interessiert, während der Part um Claire eher stagniert ist. Es fehlt definitiv ein großer Wow-Effekt, wobei die Geschichte trotzdem ein gelungenes Ende findet.

Alles in allem habe ich Julie Clarks „Der Tausch“ gerne gelesen und mich ausgezeichnet unterhalten gefühlt.