Rezension

Eher für junge Erwachsene

Mohnschwestern - Ilona Einwohlt

Mohnschwestern
von Ilona Einwohlt

Bewertet mit 3.5 Sternen

Mohnschwestern hat ein wunderschönes Cover, das mich ebenso wie der Klappentext sofort angesprochen hat. Der Klappentext entspricht jedoch nicht ganz dem, was im Roman geschieht, da u.a. angedeutet wird, dass ein wesentlicher Teil der Handlung sich um den Versuch der Liebenden, einander wiederzufinden, dreht.

Die Haupthandlung des Romans spielt in den Jahren 1943/44 und ist den Erlebnissen der jungen Lotte gewidmet. Lotte will Lehrerin werden, ist mit dem Soldaten Hans verlobt, der wie Lottes Vater an der Front ist, und lebt mit ihrer Mutter und ihren Brüdern in Darmstadt. Ihr mehr oder weniger geordnetes Leben gerät aus den Fugen als sie Wilhelm kennenlernt und sich in ihn verliebt. Durch ihren Bruder Fritz, der sich gegen das Regime auflehnt, lernt sie außerdem neue Freunde kennen, während sich die alte Freundschaft mit ihrer Kindheitsfreundin Hedwig aufzulösen scheint. Die Liebe von Lotte und Wilhelm steht von Beginn an unter keinem guten Stern...

In einer Nebenhandlung begleitet man Hazel, die an einem gebrochenen Herzen leidet, der es aber durch eine glückliche Fügung vergönnt ist, ihre alte Jugendliebe wiederzutreffen.

Die Hazel-Handlung ist gut geschrieben und hat mich sehr angesprochen. Ich finde diese Teile sehr wichtig, da sie zum einen die düstere Handlung um Lotte auflockern und zum anderen einen Bezug zum Leser schaffen. So wird betont, dass die Vergangenheit stets auch eine Relevanz für das Jetzt hat. Am Ende hätte ich mir eventuell gewünscht, dass es eine nähere Beziehung zwischen Hazel und Mathilda gegeben hätte, aber für mich hat der Erzählstrang um Hazel auch so funktioniert.

Die Lotte-Handlung ist hochspannend, fast schon atemlos. Viele Dinge sind hier gut gemacht, wie z.B. die Darstellung der ideologischen Verblendung anhand verschiedener Figuren, die Erschaffung der düsteren und bedrohlichen Atmosphäre und vor allem in weiten Teilen auch Lottes Entwicklung. Für mich ist Mohnschwestern vor allem ein coming-of-age-Roman mit vielen der klassischen Elemente (Magda als Mentorin, Revolte und Unabhängigkeit, mehr oder weniger unglückliche Liebeserfahrung usw.) und Lottes Entwicklung unter dem Eindruck der auf sie einwirkenden Ereignisse bietet interessante Lesestunden.  

Ermüdend für mich ist allerdings die häufige Analyse und Erörterung von Lottes Gefühlslage und die überaus starke Fokussierung auf ihre Perspektive, die man so ausgeprägt auch in Kinder- und Jugendliteratur findet. Daher hatte ich insgesamt für den Großteil des Romans oft den Eindruck, dass die Zielgruppe eher junge Erwachsene/Heranwachsende sind. Viele Dinge, die offensichtlich sind oder schon einmal erwähnt wurden, werden wiederholt oder erklärt. Immer wieder wird auf die Unnahbarkeit Wilhelms und sein Geheimnis eingegangen oder auf die Enttäuschung über Hedwig. Ich hätte mir an einigen Stellen einen Wechsel zwischen verschiedenen Fokalisierungsinstanzen gewünscht, da ich Lottes gedankliches Kreisen um die immer gleichen Fragen anstrengend fand. Wilhelms Figurenzeichnung leidet meiner Meinung nach sogar unter Lottes Perspektive, da er dem Leser zwar mysteriös erscheint, für mich aber als Figur so schemenhaft bleibt, dass ich keine Nähe zu der Liebesgeschichte von Lotte und Wilhelm aufbauen konnte. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, warum mich der Roman emotional nicht in letzter Konsequenz berührt hat. Die Beziehung Lottes zu ihren Brüdern, vor allem zu Otto, ist da sehr viel intensiver dargestellt.

Darüber hinaus erschien es mir so, als ob in der Figur von Lotte alle Erfahrungen und Geschehnisse der Zeit auf einmal gebündelt werden sollten. Da wäre für mich etwas weniger mehr gewesen: das war schon sehr viel auf einmal für eine Figur.

Mein Lesevergnügen wurde durch zu viele, sich wiederholende Erklärungen und eine eher unbefriedigende Liebesgeschichte getrübt, dennoch sind die Mohnschwestern ein durchaus gelungener Entwicklungsroman für eher junge Leser mit einer spannenden und interessanten Handlung, einigen gut verpackten Lerneffekten, schönen Popkultur-Bezügen in den modernen Teilen und einer großen Nachwirkung, der Geschichte erlebbar macht.