Rezension

Ehrlich und unverfälscht

Gedankengewitter - Andy Feind

Gedankengewitter
von Andy Feind

Bewertet mit 5 Sternen

Ich habe lange überlegt, was ich über dieses Buch schreiben könnte, das ihm auch gerecht wird.

Es ist mutig. Es ist so ehrlich, dass es wehtut. Es ist unglaublich wichtig, denn psychische Erkrankungen werden immer noch stigmatisiert. Es ist ein ungeschönter Blick ins Leben eines Menschen, der erbittert mit seiner chronischen Depression kämpft, und dabei zwar die ein oder andere Schlacht verliert, aber niemals den Krieg.

Das Buch ist wichtig für zwei Arten von Lesern.

Für jemanden, der das große Glück hat, Depressionen selber noch nie erlebt zu haben, ist es ein Reiseführer durch unerforschtes Gebiet. Auf der Landkarte der menschlichen Emotionen findet man die Depression genau da, wo die Grenzen der bekannten Welt mit ‘Hier sind Drachen’ gekennzeichnet sind.

Warum sollte man sich in dieses feindliche Land begeben, wenn man es nicht muss? Weil andere Menschen diesen Luxus nicht haben. Sie müssen wohl oder übel dort leben und regelmäßig mit den Drachen Gassi gehen. Und sie haben es verdient, damit nicht allein gelassen zu werden.

Auch wenn du selber keine Depressionen hast, ist die Chance doch relativ groß, dass du jemanden kennst, der damit lebt.

Vielleicht versteckt derjenige es gut. Aber das heißt nicht, dass er nicht damit zu kämpfen hat.

Für jemanden, der mit den Drachen schon per du ist, ist “Gedankengewitter” ein ganz anderes Buch. An dieser Stelle muss ich mich wohl outen, damit die weitere Rezension Sinn ergibt.

Natürlich unterscheidet sich Andys Wahrnehmung seiner Depression von meiner Wahrnehmung meiner eigenen. Man könnte dieses Buch wahrscheinlich hundert Lesern mit Depressionen in die Hand drücken, und die würden alle an ganz unterschiedlichen Stellen nicken oder verwirrt die Stirn runzeln. Aber ich bin mir sicher, sie würden alle etwas von Wert für sich finden.

Depression kann sehr einsam machen, weil man sich oft selber isoliert. Ich habe mich beim Lesen ertappt gefühlt, erschrocken und gleichzeitig erleichtert – es ist trotz allem schön zu wissen, dass man mit den schwarzen Gedanken nicht alleine ist.

Das macht Mut, selber mal gegen das Stigma anzugehen und anderen Menschen zu erklären, was los ist.

Andy schreibt frei von der Leber weg und doch erstaunlich gekonnt, ohne dass es je gekünstelt wird. Sein Buch ist kein Ratgeber – seine “Bruchstücke” sind keine Wohlfühl-Platitüden. Es sind seine Erlebnisse und seine ehrlichen Gefühle, und man spürt das Leid, das für ihn damit verbunden war oder ist. Es kann hart sein, dass zu lesen, wahrscheinlich für beide Arten von Lesern.

Aber meines Erachtens lohnt es sich – auch für beide Arten von Lesern.

Diese Rezension erschien zunächst auf meinem Buchblog:
https://wordpress.mikkaliest.de/2018/11/12/rezension-andy-feind-gedanken...