Eigen, bewegend und wunderbar erzählt
Bewertet mit 5 Sternen
„Briefe an Lempi“ könnte dieses Buch auch heißen. Lempi, die junge Kaufmannstochter, die verschwunden ist. Lange weiß man nicht, was ihr passiert sein könnte.
Drei wichtige Menschen in ihrem Leben erzählen von ihrer Zeit mit ihr und von ihrer Zeit ohne sie. Viljami, der Bauernsohn, den sie geliebt und geheiratet hat, schreibt sich seinen Frust und seine Verzweiflung von der Seele. Als er aus dem Krieg kam, war sie verschwunden.
Elli, die Dienstmagd, zeigt eine ganz andere Seite. Lempi hatte alles, was sie nicht hatte. Ihr Bericht ist von Neid und Hass zerfressen, schließt aber eine Lücke im Lauf der Ereignisse.
Und dann kommt noch Sisko, Lempis Schwester, zu Wort, die der Krieg nach Deutschland verschlagen hat und die voller Trauer bedauert, nicht da gewesen zu sein, als Lempi sie am dringendsten brauchte.
Es liest sich wie Briefe an eine Tote, in denen man schonungslos sagt, was man sonst nie gesagt hätte, jedes Gefühl offenlegt, auch die unschönen. Es ist intensiv, fordernd, fesselnd und nimmt einen mit.
An den Stil muss man sich zunächst gewöhnen. Die Berichte sind sprunghaft, Erinnerungsfetzen die zwischen der jetzigen Situation und der Vergangenheit hin und her wandern. Hier erzählt niemand chronologisch, was er erlebt hat. Manchmal finden sich Hinweise auf das Geschehen nur als zaghafte Andeutung. Manches kann man vermuten, manches bleibt auch unklar. Auf jeden Fall ist hier jedes Wort wichtig, man muss sehr aufmerksam lesen.
Zunächst meint man vielleicht, eine Liebesgeschichte erzählt zu bekommen, stellt aber bald fest, es geht um deutlich mehr.
Wie erlebte man den Zweiten Weltkrieg in Finnland? Wie erging es den finnischen Frauen, als alle Männer an die Front mussten? Und was war bei Kriegsende von den deutschen „Waffenbrüdern“ zu erwarten? Darüber wusste ich bislang gar nichts und habe jetzt zumindest einen Eindruck, einen nachhaltigen Eindruck.
„Lempi“ erzählt auf ganz besondere Art vom Krieg und von der Liebe, von Schicksalen und von Finnland. Es ist ein großartiges Buch, eigen, bewegend und wunderbar erzählt. Für mich war es eine Entdeckung.