Rezension

Eigener Stil, aber ich bin nicht völlig überzeugt

Kellerkind - Nicole Neubauer

Kellerkind
von Nicole Neubauer

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Ermordung der Rechtsanwältin Rose Benninghoff ist nicht zu übersehen; denn das Blut tropft buchstäblich durch die Decke in die darunterliegende Wohnung. Die Tote hat bei aller Zurückhaltung ein unstetes Leben geführt und ist stets mit leichtem Gepäck weitergezogen, ehe sie an einem Ort Wurzeln schlagen konnte. Merkwürdig nur, dass sie eine kurze Beziehung zu einem Berufskollegen einging, der einen halbwüchsigen Sohn hat. Dieser Sohn wird in verwahrlostem Zustand und offenbar schwer misshandelt in Roses Wohnhaus angetroffen. Roses beruflicher Kontakt zu Laurent Baptist und ihre private Beziehung zu Vater und Sohn rücken Laurent und Olivier Baptist als wichtigste Zeugen und zugleich als Tatverdächtige ins Visier der ermittelnden Mordkommission. Doch nach mehreren Tagen kühlt die Hauptspur bereits wieder ab, ohne dass Hannes Brandl und sein Team mit ihren Recherchen vorangekommen sind. Ausgebremst werden die Ermittlungen u. a., weil noch immer ungeklärt ist, ob Olivier sich „nur“ vom Reptil seiner Ängste verfolgt fühlt oder evtl. die Diagnose einer psychischen Erkrankung vorliegt. An der familiären Wagenburg, die Vater und Sohn gegen den Rest der Welt aufgebaut haben, scheinen sich die Ermittler zunächst die Zähne auszubeißen. Die Situation als verfahren zu beschreiben, wäre die Untertreibung des Jahres.

Nicole Neubauer hat mit einem im positiven Sinne eigenen Stil für ihren Erstling eigenwillige Charaktere geschaffen. Auch wenn ich sehr gerne lese, wie Neubauer schreibt, hat mich der Plot nicht überzeugt. Trotz persönlicher Details aus dem Leben einzelner Ermittler konnte ich nur schwer eine Beziehung zu ihnen entwickeln. Zu lange war mir unklar, ob diese Details noch Einfluss auf die Handlung haben würden. Während mir die eher sparsame Art des Humors in „Kellerkind“ sehr zusagt, fand ich die Verwendung von Dopplungen (zwei Väter von Pubertierenden, zwei Übergewichtige, usw. usf.) zu intensiv, um auf mich zu wirken. Vermutlich habe ich von einem mit üppigem Werbeaufwand und mit dem Rückenwind eines bekannten Autorinnennetzwerkes vermarkteten Roman einfach erwartet, er würde perfekt sein.

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"Waechter nutzte die Gelegenheit, um vor sich hin zu brüten. Elli steuerte den Wagen, und Hannes saß auf der Rückbank und schoss auf seinem Angebertelefon grüne Schweine ab. Es war dunkel geworden draußen. Der Wind sandstrahlte die Windschutzschreibe mit Eisnadeln, die Wintersonne war verschwunden, als wäre sie eine Halluzination gewesen. Das Ende hatte Waechter sich anders vorgestellt. Aber eine Mordermittlung war kein Wunschkonzert und hinterließ immer noch mehr Elend. Was waren sie nur für Totengräber." (S. 396)