Rezension

eigentlich zwei Liebesgeschichten

22 Bahnen -

22 Bahnen
von Caroline Wahl

Bewertet mit 3 Sternen

Tilda ist Mathematikstudentin und lebt mit ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter in einer deutschen Kleinstadt. Sie erhält die Aussicht auf eine Doktorandenstelle in Berlin. Das Problem: Kann sie ihre kleine Schwester allein mit ihrer alkoholkranken und depressiven Mutter zurücklassen und nach Berlin gehen ? Der Alltag der Ich-Erzählerin Tilda spielt sich hauptsächlich zwischen ihrem Supermarktjob, ihrem Studium, der Sorge um Schwester und kranke Mutter und ihren täglichen 22 Bahnen ab, die sie im Freibad schwimmt. Hier trifft sie auf Viktor, in den sie sich verliebt, was schließlich in eine hoffnungsvolle Zukunft zu führen scheint.

Dieser Roman ist unterhaltsam geschrieben und liest sich gut und flüssig. Und dies trotz der ernsten Thematik des Zusammenlebens von Kindern mit hilfsbedürftigen, zeitweise sogar unberechenbaren Eltern wie hier mit der alkoholkranken, gewaltbereiten und lieblosen Mutter. Das Geschwisterpaar Tilda, die ältere, die die Mutterrolle übernimmt und die kleine Schwester Ida scheinen sich selbst Anker gegen die kaltherzige Mutter zu sein. Das wird m. E. gut deutlich. Manchmal erschrickt der Leser regelrecht bei der Lektüre so mancher Situation, in der die Mutter wiederholt ihrer Alkoholsucht erliegt mit Folgen, die man sich für Kinder nicht wünscht.

Das Freibad ist eine Gegenwelt, in der Tilda und Ida aufatmen können. Die Schilderungen des Ratespiels an der Supermarktkasse, an der Tilda arbeitet, sorgen für Auflockerung und haben mir gefallen. Etwas dick aufgetragen fand ich den Gegensatz zwischen der Familie ihrer Freundin Marlene und Tildas Familie. Marlene, deren Vater Zahnarzt ist und die eine heimeliges Zuhause hat, mit reichlich gedecktem Abendbrottisch und allen Möglichkeiten, die wohlhabende Eltern bieten können: tolle Urlaubsreisen, Auslandssemester etc. Im Gegensatz dazu Tildas Familie, in der das Geld knapp ist und ohne liebende Eltern, die sich kümmern. Den Begriff intakte Abendbrottischfamilie fand ich wiederum gut. Das Ganze erschien mir ein bißchen zu konstruiert. Tilda, hochintelligente Mathematikerin, managt die Lage mit Supermarktjob, kleiner Schwester, Studium mit versäumten Uni-Kolloquien, regelmäßigen Bahnen im Freibad, was für ein Programm ! Und erhält sogar die Aussicht auf eine Doktorandenstelle. M. E. etwas unglaubhaft, genau wie die doch sehr patente kleine Schwester.

Dennoch ist es anrührend erzählt, man schließt das Geschwisterpaar ins Herz und freut sich über die Liebesgeschichte, die sich im dritten Teil zwischen Viktor und Tilda entwickelt  Eigentlich sind es zwei Liebesgeschichten, die erzählt werden: die innige Liebe zwischen den Geschwistern und die Liebe zwischen Tilda und Viktor. Kann man lesen, muß man aber nicht.

Ich vergebe 3 Sterne.