Ein Abenteuer der etwas anderen Art
Bewertet mit 4.5 Sternen
"Einmal sagte er, es müsse ein Muster hinter den Dingen geben, doch leider könne er es nicht erkennen" S. 158
Nach mit Awards ausgezeichneten Kurzgeschichten, hat sich die Autorin Carys Davies bereits in der Literaturwelt behauptet. Nun folgt ihr erster Roman und der scheint begeisterte, wie auch etwas zurückhaltende Stimmen hervorzurufen. Auch bei mir haben sich Begeisterung und Skepsis nach und nach vermischt.
Der recht knappe Roman greift vordergründig das Leben von Cy Bellmann und seiner Tochter Bess auf. Er, der loszieht und die Welt erkundet - Der Kompass sein stetiger Begleiter. Sie, die Zuhause bleibt und auf ihn wartet. Letztlich kann man aber auch noch eine weitere Perspektive als wichtigen Vergleichspunkt der Figuren ziehen, nämlich die des Jungen "Alte Frau aus der Ferne", der Cy auf seiner Reise zur Seite stehen soll. Mir gefielen der Wechsel zwischen diesen drei Figuren und auch der Wechsel zwischen der Sichtweise, die sie auf die Welt und ihre Mitmenschen haben.
Der Leser merkt schnell, dass sich hier eine mehr als präsente Gesellschaftskritik offenbart. Der "weiße Mann" als Gefährder des Friedens und als Ausbeuter. Andererseits wird durch Cy Bellmann auch das Bedürfnis und manchmal die Notwendigkeit der Menschen verdeutlicht neue Gebiete und Länder zu erkunden. Etwas zu entdecken, was noch niemand kannte und vielleicht einen Fortschritt hervorzubringen. Alles Überlegungen, die ich im Roman gut hervorgehoben fand und die mich auch interessiert haben.
Dennoch gibt es einige Punkte bei denen ich mir noch unsicher bin, ob ich sie clever gelöst oder, soweit es bei einem lang überarbeiteten Roman, unüberlegt und nicht geglückt finde.
"Ein unbekanntes Wesen, ein animal incognitum. Die Leute staunten und stocherten in den Knochen herum und fragten sich, was dem Tier wohl zugestoßen war. Ob solche Ungeheuer bis heute lebten, auf unerforschtem Territorium, im Westen des Kontinents. Allein bei der Vorstellung war ihm schwindlig geworden." S.27
Wer sich, wie ich zu Beginn auch, von dem Roman eine wirkliche Abenteuergeschichte verspricht, der wird vielleicht ein wenig enttäuscht sein, denn wirklich viel passiert eigentlich gar nicht. Die Reise des Protagonisten wird zwar durchaus aufgegriffen, aber es entwickelt sich etwas zu einer immer wieder gleich verlaufenden Abfolge von Überlegungen, wie man die Reise in Hinblick auf die Härte der kalten Jahreszeiten überwinden kann. Es geht demnach mehr um die inneren Überlegungen der Figuren.
Die Tochter Bess war für mich an vielen Stellen nicht wirklich greifbar. Sie wird einfach als Gegenstück zum Vater eingeführt, um die "Zurückgelassene"-Position zu kräftigen und zu veranschaulichen, dass es bei Bedenken, die so eine Reise von Cy hervorruft, auch das verworrene und beinahe öde, gewohnte Leben seine Risiken mit sich bringt. Merkwürdig fand ich dann die Fixierung auf Bess aus der Sicht zweier Bewohner der Stadt. Ich konnte hier zwar den Impuls des Aufgreifens verstehen, weil durch gewisse Entwicklungen das moralische Verhalten der Figuren hinterfragt und kritisiert wird, aber mir schien es teilweise so klischeebehaftet, dass ich mich mit den Kapiteln schwer getan habe.
Unabhängig von der Handlung haben sich bei mir zudem einige Fragen bezüglich der Authentizität der Darstellung des Lebens im frühen amerikanischen Westen ergeben. Oftmals wusste ich nicht genau, ob die beschriebenen Verhaltensweisen und örtlichen Daten, wie auch die Benutzung verschiedener Werkzeuge und Tierhäute stimmte. Da hätte ich mir vielleicht von der Autorin selbst einen Verweis gewünscht, in wieweit sie dahingehend recherchiert hat, um die Echtheit zu wahren.
Blicke ich aber auf die gesamte Struktur zurück, so finde ich den Roman schon besonders geglückt, weil alles so gut miteinander zusammenhängt und sich so miteinander verknüpft, dass das Ende, trotz wieder starkem Hinweis an die "richtige Moral", ein kleines Highlight ist. Ebenso hat mich die Thematik von der ersten Seite an mitgerissen.
"Er dachte auch an den alten Mann, der sie davor gewarnt hatte, sich auf irgendwelche Geschäfte mit den weißen Männern einzulassen. Er hatte ihnen prophezeit, es werde der Anfang von ihrem Ende sein." S.184