Rezension

Ein absolutes Lesehighlight

Ich fürchte mich nicht
von Tahereh Mafi

Bewertet mit 5 Sternen

„Ich weiß jetzt nur, dass die Wissenschaftler sich irren. Die Erde ist eine Scheibe. Das weiß ich, weil ich vom Rand gestoßen wurde und seit 17 Jahren versuche mich daran festzuhalten. Seit 17 Jahren versuche ich wieder auf die Scheibe zu klettern, aber man kann die Schwerkraft nicht bezwingen, wenn niemand einem die Hand reicht. Wenn niemand es wagt einen zu berühren.“ (S.31)

Ihr Leben lang war Juliette einsam, eine Ausgestoßene – ein Monster. Ihre Berührung ist tödlich, man fürchtet sie, hat sie weggesperrt. Bis die Machthaber einer fast zerstörten Welt sich ihrer als Waffe bedienen möchten. Doch Juliette beschließt zu kämpfen – gegen die, die sie gefangen halten, gegen sich selbst, das Dunkel in ihr. An ihrer Seite ein Mann, zu dem sie sich unaufhaltsam hingezogen fühlt. Ihn zu berühren ist ihr sehnlichster Wunsch – und ihre größte Furcht ...

Meine Meinung

  • Handlung/ Verlauf der Geschichte

Von der ersten Seite an war ich regelrecht an die Geschichte gefesselt, obwohl die Handlung im Prinzip recht simpel aufgebaut ist. Dafür ist die Verbindung, die man von Anfang an zu Juliette und ihrem Leben hat, sehr besonders und einzigartig. Man begleitet sie durch ihren Tag und erlebt dabei hautnah ihre Empfindungen, ihre Gedanken und Gefühle. Insbesondere ihre schreckliche Vergangenheit, macht einen sehr betroffen. Juliette hatte es bisher richtig schwer in ihrem Leben, von frühster Kindheit an, lebt sie mit der Gewissheit, dass sie alle für ein Monster halten und sich deshalb ihr gegenüber abgeneigt und distanziert verhalten. Liebe, Zuneigung und Geborgenheit durfte sie nie erfahren, selbst von ihren Eltern nicht. Man kann sich also vorstellen wie furchtbar sie sich fühlen muss.

Wie bereits erwähnt hing ich nach den ersten paar Seiten förmlich an den Worten der Autorin und wollte nichts anderes als immerzu weiterzulesen, um zu sehen, was Frau Mafi noch alles zu bieten hat. Es ist einfach so unglaublich spannend und es gibt kaum eine ruhige Sekunde. Ständig entdeckt man etwas Neues oder wenn das nicht der Fall war, dann gab es eine neue Erkenntnis zu verarbeiten. Allein in dem Hinblick ist „Ich fürchte mich nicht“ schon ein wahres Leseerlebnis. Die Liebesgeschichte allerdings war schließlich das Tüpfelchen auf dem i, da diese Momente so schön einfühlsam und feinfühlig beschrieben waren, dass mir dabei selbst ganz warm ums Herz wurde. Darüberhinaus freut habe ich mich so sehr für Juliette gefreut. Nach Jahren der Einsamkeit und Ausgestoßenheit darf sie endlich einmal erfahren, wie es sich anfühlt geliebt zu werden. Dabei habe ich ganz vergessen, dass ich im Grunde eine Dystopie in den Händen halte.  

  • Schreibstil

Außergewöhnlich und einzigartig ist das erste was mir zu Frau Mafis Schreibstil einfällt. Sie erzählt in kurzen, knappen Sätzen, wodurch sich die Geschichte wunderbar flüssig lesen lässt. Gleichzeitig fesselt sie die Leser von der ersten Seite an, in dem sie ihn hautnah Juliettes Situation erleben lässt. Zwischendurch einfließende Erinnerungen, die uns einen Einblick ins Juliettes Vergangenheit, sowie in die herrschende Weltordnung geben, tragen ebenso zum Spannungsaufbau bei. Gewöhnungsbedürftig und im ersten Augenblick vielleicht etwas befremdlich ist, dass stellenweise Wörter oder ganze Sätze durchgestrichen sind. Schnell begreift man allerdings, dass die Autorin damit einen bestimmten Zweck erfüllt. Sie stellt so die von Juliette verdrängten Gedanken dar, was mir richtig gut gefallen, da ich das Gefühl hatte eine direkte Verbindung zu Juliettes Innenleben zu haben. Desweiteren erzeugt Frau Mafi eine wirklich tolle und intensive Atmosphäre, die durch das häufige Verwenden von Metaphern noch einmal verdichtet wird. Ich muss sagen, dass ich in einem Jugendbuch selten solche wunderschönen und poetischen Worte gelesen habe

  • Charaktere

Juliette ist die erste Protagonistin mit der ich mich wirklich von Anfang an verbunden gefühlt habe, obwohl mich ihr Schicksal sehr traurig und betroffen gemacht hat. Bisher bestand ihr Leben hauptsächlich aus negativen Erfahrungen. Schmerz und Zurückweisung sind ihre ständigen Begleiter, egal wohin sie kam, wurde sie von anderen gemieden, sodass Liebe oder auch Vertrauen absolute Fremdwörter für sie sind und doch wünscht sie sich insgeheim nichts anderes. Das wird vor allem deutlich, als Adam zu ihr in die Zelle gesperrt wird. Man merkt dass ihr innerer Schutzwall zu bröckeln beginnt: Sie öffnet sich ihm langsam und entwickelt Gefühle für ihn.

Die ersten paar Kapitel wusste ich noch nicht genau was ich von Adam halten soll, da man ziemlich wenig über ihn erfährt, wenn es einen auch brennend interessiert, wieso er zu Juliette in die Zelle gesteckt wurde. Skeptisch behielt ich ihm im Auge, doch letztendlich hat er sich Juliette über ganz nett verhalten und war bemüht Kontakt zu ihr aufzubauen. Schnell muss ich aber erkennen, dass es dafür andere Gründe gibt. Und zwar wurde er von seinem Vorgesetzten Warner dazu beauftragt sich ihr Vertrauen zu erschleichen und sie auszuhorchen. Dieser offensichtliche Verrat verletzt Juliette zutiefst, denn sie kennt Adam von früher. Sie ist mit ihm zur Schule gegangen und er war einer der wenigen, die sie als normalen Menschen gesehen hat. Diese Seite an ihm kommt allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt ans Licht…

Warner bzw. seine Gedanken haben mich auf eine mir unerklärlichen Weise fasziniert,  obwohl er in diesem Buch die Rolle des Bösen einnimmt und mir alles andere als sympathisch war. Sein Verhalten ist schlichtweg abstoßend. Er hasst glückliche Menschen, da er selbst unter strengsten Bedingungen aufgewachsen ist. Er giert nach Macht und würde dafür über Leichen gehen…

Mein Fazit

Mit „Ich fürchte mich“ hat es Tahereh Mafi geschafft mich restlos zu begeistern, was vor allem an der äußerst engen Verbindungen zu unserer Protagonistin Juliette lag. Man begleitet sie von Anfang bis zum Schluss und erlebt dabei hautnah ihre Empfindungen, ihre Gedanken und Gefühle. Der außergewöhnliche und einzigartige Schreibstil der Autorin, der anfangs vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig schein mag, rundet das Buch passend ab und verleiht ihm seine individuelle Note. Ein absolutes Lesehighlight für mich und ein Must-Read für alle Dystopie Liebhaber.