Rezension

Ein atmosphärisches Kunstwerk

Sommernovelle - Christiane Neudecker

Sommernovelle
von Christiane Neudecker

Bewertet mit 5 Sternen

Einige Worte zum Inhalt

1989, der erste Urlaub ganz ohne Eltern: Die Freundinnen Panda und Lotte reisen an die Nordsee, wo sie als Praktikantinnen in einer Vogelwarte ihre Pfingstferien verbringen möchten. In der Vogelstation begegnen sie so manchen einzigartigen Gestalten – und gewinnen neben neuen Freundschaften auch einen neuen Blick auf die Liebe, Umwelt und Selbstständigkeit.

Meine Meinung

Sommernovelle ist ein außergewöhnliches kleines Buch, in dem jedes Kapitel einer Praline gleicht, die man sich genussvoll auf der Zunge zergehen lassen möchte. Trotz der Kürze habe ich mehrere Tage gebraucht, um das Buch zu beenden, denn ich wollte mir viel Zeit lassen, um das Lesevergnügen noch ein wenig länger zu genießen.

Das Setting hat mich von der ersten Seite an verzaubert: Die Nordsee mit all ihren Facetten, ihrer Wildheit, ihrem Charme. Christiane Neudecker schafft es, den Leser an den Strand zu entführen, ihn die salzige Luft schnuppern und das Rauschen der Wellen hören zu lassen. So jedenfalls ging es mir und ich bin vollkommen in den wunderbaren Beschreibungen der Autorin aufgegangen, denn sie haben etwas so Faszinierendes und Vertrautes, dass man sich nur wohlfühlen kann.

“Es gibt diese Sommer nur in der Kindheit oder in der Jugend. Oder im Übergang vom einen zum anderen.” – S. 7

Die Mädchen Panda und Lotte stecken mitten in der Pubertät. Vor allem Panda ist eine kleine Weltverbesserin, die meine Sympathie mit ihrer klugen Art und ihrer Wissbegier sogleich erobert hat. Die Freundinnen beschäftigen sich intensiv mit ihrer Umwelt, prangern Missstände an und gehen in ihren Studien auf. Doch Lottes Interesse wird nicht nur von den Vögeln und der Umwelt geweckt, sondern auch von dem jungen Mann Julian, der ebenfalls in der Vogelwarte arbeitet. Mir haben die Charaktere ausgesprochen gut gefallen. Sie sind greifbar und durchdacht, vor allem Panda ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Die Handlung ist sehr ruhig und zeigt keinen klassischen Spannungsbogen. Dies ist aber auch gar nicht nötig, denn was das Buch ausmacht, sind die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Persönlichkeitsentwicklung der Protagonistin. Nichtsdestotrotz kann man sich kaum von den Seiten lösen.

“Es war ein Buchstabenschmerz, den ich mir da zufügte, wenn ich an einem Nachmittag nicht absetzte und – den Blick stur auf die Seiten geheftet, mechanisch umblätternd, umblätternd – zwei, drei Bücher hintereinander verschlang.” – S. 34

Zum Schreibstil der Autorin lässt sich sagen: Er ist perfekt. Wirklich, es ist eine Seltenheit, dass ich so weit gehe, einen Schreibstil als perfekt zu bezeichnen, doch Christiane Neudecker ist eine Wortkünstlerin mit einem herausragenden, umwerfenden Stil. Selten wurde ich derart in ein Buch gesogen wie durch Frau Neudeckers Worte. Man liest aus jeder Zeile, wie viel Herzblut in jedem einzelnen Wort steckt, wie künstlerisch, poetisch und durchdacht die Textkomposition ist.

Fazit

Sommernovelle ist einw überragende Lektüre mit einer unglaublichen Atmosphäre und der Schreibstil der Autorin ist reine Perfektion. Pure Wohlfühlliteratur! Ich werde mich definitiv bald den anderen Büchern von Christiane Neudecker widmen.