Ein ausdrucksstarkes Bild über die Lebensvorstellungen der Karen Blixen
Bewertet mit 5 Sternen
"Die Armut ist die größte Freiheit. Auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht. Ich sage Ihnen, wirklich schlimm ist es, ein moderates Auskommen zu haben, ein Bürger zu sein. So ein Leben nimmt einem die Luft zum Atmen." Zitat Seite 72
Der Name Karen Blixen ist durch den Hollywood-Film «Jenseits von Afrika» sicherlich einigen ein Begriff. Diese Novelle zeigt Einblicke in das dänische Leben der Schriftstellerin und zeichnet eine fiktive Geschichte im winterlichen Kopenhagen der 1920er Jahre.
Mir hat diese fiktive Geschichte sehr gut gefallen und besonders Karens Überzeugungen und die gesellschaftliche Rolle der Frau wurden anschaulich und zeitgemäß dargestellt. Als sich Karen und Minna treffen, prallen unterschiedliche Welten aufeinander, doch obwohl beide Frauen unterschiedliche Grundlagen haben, finden sich bei ihnen auch Parallelen im Lebensweg, denn beide halten an ihren Träumen von der Freiheit fest, ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können und nicht von einem Mann abhängig zu sein. Karen bestärkt Minna in ihrer eigenen Vorstellung darin, sich nicht nur durch einen Mann einen Lebensbezug zu verwirklichen.
Diese feinfühlige Erzählung zeigt das Leben von Dienstboten und ihren Herren auf, aber auch die Hoffnungen, Möglichkeiten und Sorgen von zwei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Damit sorgt die Geschichte für ein anschauliches Stimmungsbild der damaligen Vorstellung von aristokratischem Denken und der Rolle als Frau. Karen und Minna wollen mehr vom Leben als einen Mann und Kinder. Während Minna jeden Job annehmen muss, um ihre Mutter und Schwester finanziell zu unterstützen und eigentlich nur davon träumt, Lehrerin zu sein, ist Karen nur sich selbst verpflichtet und hat ihre Existenz in Afrika voll im Blick. Die Weltwirtschaftskrise bringt ihre Farm in existenzielle Nöte und obwohl Karen zwar lose Bindungen liebt, wünscht sie sich im Grunde schon einen Partner, der sie unterstützen könnte.
Als ich das Zitat gelesen habe, erschien mir Karen Blixen mit ihrem aristokratischen Denken jedoch ziemlich an ihre Rolle angepasst und kam mir recht unsympathisch vor. Sie lebt ein Leben mit Dienstboten und gleichzeitig macht sie Minna Hoffnungen auf ein selbstbestimmtes Leben. Karen erkennt die Nöte der armen Bevölkerung nicht, sie ist vollkommen von sich überzeugt in ihrer Position als koloniale Farmbesitzerin. Ihr Emanzipations-Denken ist es, in die Fußstapfen der Männer zu treten und nicht, die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Arm und Reich abzubauen.
Mir hat der bildhaft beschreibende Schreibstil sehr gut gefallen, es entstand eine wunderbar nachvollziehbare Atmosphäre, die die Charakterzüge beider Frauen und ihre Stellung deutlich aufzeigt. Das Gedankengut der Zeit macht nachdenklich und lässt uns unsere heutige Freiheit noch viel dankbarer ansehen.
Feinfühlig und wunderschön geschriebene Novelle, die uns einen Einblick in das Leben Karen Blixens verschafft und die Unterschiede zwischen den gesellschaftlichen Schichten aufzeigt.