Rezension

Ein Ausflug in Schottlands erste offizielle Buchstadt

Tagebuch eines Buchhändlers - Shaun Bythell

Tagebuch eines Buchhändlers
von Shaun Bythell

Bewertet mit 4 Sternen

Worum geht‘s?

Seit knapp zwanzig Jahren führt Shaun Bythell seinen Bookshop in der schottischen Bücherstadt Wigtown. Im Laufe der Jahre haben große Buchhandelsketten und der Ausbau des Onlinehandels seinem Geschäft merklich zugesetzt, und der Alltag in einem Buchladen ist weder so gemütlich, noch so entspannt, wie man sich das als Nicht-Buchhändler vielleicht vorstellen würde. In seinem Tagebuch eines Buchhändlers nimmt uns Bythell mit in eine Welt der zerschossenen Kindles, unhöflichen Kunden und dem obligatorisch fetten Kater Captain.

Meine Meinung

Das Cover finde ich schon mal sehr schön gestaltet, es wirkt kuschelig und ich könnte mich speziell in so einer Buchhandlung sicherlich eine halbe Ewigkeit lang aufhalten.

Dass der Autor selbst eine Buchhandlung führt, hat mich auf jeden Fall schon mal neugierig darauf gemacht, wie er die Welt zwischen nervigen Kunden und sinkenden Einkünften wahrnimmt.

Damit, dass die einzelnen Beiträge tatsächlich in Tagebuchform verfasst wurden, hatte ich vor dem Lesen des Buches ehrlich gesagt nicht wirklich gerechnet. Obwohl ich eigentlich kein besonders großer Fan von Tagebuch- oder Chatgeschichten bin, haben mich die teilweise ziemlich kurzen Einträge hier überraschenderweise nicht wirklich gestört. In keinen wirklich Lesefluss, zumindest keinen über eine längere Zeitspanne hinweg kommen zu können, war zu Anfang etwas gewöhnungsbedürftig für mich. Ich habe mich allerdings relativ schnell daran gewöhnt und kam dann auch problemlos durch den Rest des Buchs.

Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Tagebuch eines Buchhändlers durch diese meist sehr kurzen Textpassagen gerade für Zeiten einer Leseflaute oder bei kurzen Konzentrationsspannen sehr praktisch sein kann. Man kann ohne viel Mühe auch mal eben kurz etwas lesen und hat trotzdem das „Erfolgserlebnis“ eines beendeten Kapitels bzw. in diesem Fall eines beendeten Tages.

Auch der Schreibstil ist ziemlich locker gehalten, und so würde ich mir auch Shaun Bythell selbst vorstellen. Er selbst hält sich in manchen Situationen für eine ziemlich klischeehaften Buchhändler, zieht aber auch gerne mal über seine Kunden und deren teils seltsame Angewohnheiten her. Insgesamt wirkt er auf mich manchmal ein wenig zynisch, aber das hält sich immer noch so in Grenzen, dass er nicht unsympathisch oder durchgehend herablassend wird.

Während des Lesens und auch nach Beendigung des Buches habe ich mich des Öfteren gefragt, als was für eine Art von Kunde mich Bythell wahrnehmen würde, und ob ich einen Tagebuch- oder Facebookeintrag wert wäre. Ob das aber wirklich ein Kompliment wäre, liegt vermutlich auch im Auge des Betrachters.

Besonders lustig fand ich Nicky, die im Bookshop arbeitet und so ziemlich immer genau das Gegenteil von dem tut, was Bythell zu ihr sagt. Ob sie die gestapelten Bücher erst wegräumen soll, bevor sie eine neue Kiste auspackt, oder ihr Essen nicht einfach im Laden herum liegen lassen soll – Nicky hat meistens einen ausgesprochen plausiblen Grund, warum ihr das absolut unmöglich ist. Bei ihrem „Feinschmecker Freitag“ ist mir teilweise echt schlecht geworden, aber irgendwo war es dann auch schon wieder lustig, was sie so alles an mehr oder weniger Essbarem angeschleppt und im Laden verteilt hat.

 

Fazit

Eine groß angelegte Storyline oder einen ausgearbeiteten Spannungsbogen hatte das Tagebuch eines Buchhändlers jetzt vielleicht nicht, aber dadurch muss ein Buch ja nicht unbedingt schlecht sein. Ich konnte wirklich oft lachen, sei es über einige echt schräge Kunden, über Nicky, die hin und wieder lieber die Facebookseite an sich reißt, als sich um das Einsortieren und Auspreisen von Büchern zu kümmern, oder über Shaun Bythell selbst, der mit trockenem Humor auf die seltsamsten Fragen antwortet und auch selbst manchmal für die eine oder andere peinliche Situation sorgt.

Wer sich ab und an mal mit einem Buchhändler unterhält, der keiner großen Handelskette angehört, dem werden die von Bythell beschriebenen Probleme seines Geschäfts nicht völlig fremd sein. Dass Onlinehändler und große Buchhandelsgesellschaften den Gewinn kleiner und unabhängiger Buchhandlungen und Antiquariate nicht gerade steigern, ist auch kein Geheimnis.

Trotzdem fand ich es sehr spannend, einmal aus der Perspektive eines solchen „bedrohten“ Geschäfts auf den Buchhandel und das Konsumverhalten unser heutigen Gesellschaft zu blicken.

Was wir daraus lernen können? Sicherlich kann man als eine Absicht hinter dem Tagebuch eines Buchhändlers vermuten, dass wir als Leser und Kunden unser Konsumverhalten auch einmal überdenken sollten, um lokale und unabhängige Buchhandlungen zu unterstützen. Das ist sicherlich nicht verwerflich und für mich persönlich ein Gedanke, auf den ich bei meinen zukünftigen Bücherkäufen hoffentlich vermehrt achten werde.

Insgesamt vergebe ich dafür vier Bücherstapel und überlege, vielleicht auch mal einen Urlaub im schottischen Wigtown zu verbringen.