Rezension

Ein außergewöhnlich ungewöhnliches Buch - ich bin begeistert!

Die Hüterin der verlorenen Dinge - Nicole C. Vosseler

Die Hüterin der verlorenen Dinge
von Nicole C. Vosseler

Bewertet mit 5 Sternen

Ein paar wenige Worte zur Gestaltung. Es ist mein erstes graues Buch. Aber in Verbindung mit der blauen Schrift wirkt es gleichzeitig düster und eindringlich, wie das Buch selbst. Der Schutzumschlag ist aus rauem Papier und fühlt sich interessant und ungewöhnlich an. Man kann auf dem Cover viele Dinge entdecken und das passt ebenfalls sehr gut zum Inhalt. 

Was ich persönlich sehr gerne mag, ist das Lesebändchen, ich habe einfach eine Schwäche dafür, dieses hier ist in der Farbe der Schrift auf dem Cover gehalten und so wiederholt sich die Farbgestaltung auch beim Buch selbst, da das eigentliche Buch auch so grau ist wie der Schutzumschlag.

Das Schriftbild ist sehr gedrungen, die Seiten sind von oben bis unten beschrieben mit wenig Rändern oder aufwendig gestalteten Kapitelanfängen. Aber auch das passt zu diesem Buch und seiner Protagonistin. Ich empfand das Schriftbild aber nicht als unangenehm, es fällt aber als „anders“ einfach auf.

 

 

Vor etwas mehr als 12 Jahren verschwand Ivys Mutter spurlos. Kein Abschiedsbrief, keine Spur, nichts. Kurz davor hatte Ivy ihr Vorwürfe gemacht, weil sie, wie schon so oft, mal wieder ein Versprechen gebrochen und Ivy dadurch das Gefühl gegeben hatte, für sie nicht wichtig zu sein. An diesem Morgen sah sie ihre Mutter zum letzten Mal und egal, wie oft sie in Gedanken auch zu diesem Morgen zurückkehrt, Ivy kann einfach keine Hinweise darauf entdecken, was mit ihrer Mutter geschah. Hat sie sie verlassen? Hat sie Selbstmord begangen? Wurde sie entführt oder gar ermordet? 

Ivys Vater ist ein berühmter Schriftsteller, der mit Preisen überhäuft wurde. Ivy ist deswegen überall als die Tochter von bekannt, deren Mutter spurlos verschwand. Sie verbringt ihre Zeit am liebsten damit durch New York zu streifen und verlorene Dinge einzusammeln. Sie nimmt nur besondere Dinge mit, außergewöhnliches, aber nichts von hohem materiellem Wert. Sie gibt diesen Dingen ein Zuhause, eine Geschichte. 

Als ihr Vater ihr eröffnet, dass er wieder heiraten will, droht Ivys mit Klebeband zusammengehaltene Welt erneut zu zerbrechen. Doch dann begegnet sie dem Straßenkünstler Jack. Ivy will eigentlich keinen Kontakt, aber sie kann Jacks lockerer Art und seinem Charme irgendwie auch nicht widerstehen. Ist er der Schlüssel zu einem richtigen Leben für Ivy?

 

 

Mir tat Ivy sehr leid. Es ist nicht schwer die Parallelen zu sehen: ihre Mutter ist verschwunden und sie adoptiert verschwundene Dinge und gibt ihnen eine Geschichte, wie sie auch ihrer Mutter gern eine Geschichte geben würde.

Gleichzeitig ist Ivy aber auch ein sehr komplizierter Mensch und nicht immer kann man ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen nachvollziehen. Wie auch, wir teilen ja auch nicht die Traumata ihrer Vergangenheit.

 

Das Buch zieht einen unheimlich schnell in die Geschichte hinein. Es ist kein Thriller oder dergleichen, trotzdem ist eine gewisse Spannung da, der man sich nicht entziehen kann. Man will ebenso wie Ivy wissen, was mit Lila passiert ist. Ivys Reise durch das Leben und die Vergangenheit ihrer Mutter ist wirklich total interessant, wenn auch nicht ganz einfach und schnell zu lesen. Ich habe für dieses Buch deutlich länger gebraucht als normalerweise, aber es passt irgendwie. 

 

Dieses Buch ist sehr philosophisch, einfühlsam, seltsam und sehr eindringlich. Obwohl es sehr langatmig und detailliert geschrieben ist, kommt nie Langeweile auf. Die Welt durch Ivys Augen zu sehen, hat einfach etwas.

 

Die Nebencharaktere sind richtige „Charaktere“. Sie sind alle sympathisch aber auch alle „anders“, wie Ivy. Obwohl ich das Ende absolut gelungen finde und es mir auch nicht besser hätte vorstellen können, wollte ich irgendwie nicht, dass das Buch endet.

 

 

Fazit: Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist etwas komplett anderes, aber gut anders. Das Buch nimmt sich Zeit für die kleinen Dinge, die dadurch wichtig und groß werden. Man begleitet diese zutiefst verletzte junge Frau, die andauernd ihr eigenes Leben sabotiert, weil sie der festen Überzeugung ist, dass es doch irgendwann kaputt gehen wird und sie es obendrein sowieso nicht verdient hat glücklich zu sein. Ivy sucht nach ihrer Mutter, nach ihren Spuren auf dieser Welt, aber sie sucht auch nach sich selbst, nach der Ivy die sie eigentlich ist, wenn sie die ganzen Schuldgefühle und die Wut einmal außenvorlässt.

 

Ich kann dieses Buch aus vollem Herzen empfehlen! Wer einmal etwas ganz anderes, mit keinem anderen Buch vergleichbares lesen will, der ist hier genau richtig!