Rezension

Ein außergewöhnliches Buch

Der Klang der Erinnerung - Anna Smaill

Der Klang der Erinnerung
von Anna Smaill

Bewertet mit 3 Sternen

Der Klang der Erinnerung von Anna Smaill

erschienen bei Arctis

 

Zum Inhalt

 

Nach dem Ende eines brutalen Bürgerkriegs ist London geteilt: Es gibt Slums und eine »Stadt der Eliten«. Durch tägliche Klangspiele wird den Bewohnern die Erinnerung daran, wie es einmal war, genommen. Die Vögel haben aufgehört zu singen und jeder neue Tag fühlt sich an wie der vorherige. Ein junger Mann namens Simon kommt in die Stadt und findet eine neue »Familie« – eine Bande, die hier im Untergrund lebt. Nach und nach gelingt es Simon, seine Erinnerungen wachzurufen, und Lucien, der blinde Anführer der Bande, spürt bald die Gefahr, die von Simons Vergangenheit ausgeht. Es beginnt ein Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit, um Gegenwart und Vergangenheit, um Leben und Tod.

(Quelle: Verlag)

 

Zum Buch

 

Mich haben an diesem Buch ganz besonders der Klappentext und auch das schöne Cover gereizt. Ich war aber keineswegs auf eine Geschichte in dieser ungewöhnlichen Art vorbereitet…

Erinnerungen und Musik werden wohl die Grundthemen sein, dachte ich mir. Im Prinzip stimmt es auch, aber die Umsetzung der Autorin war etwas absolut Fremdartiges für mich. Um ihre Story zu erzählen, verwendet sie in hohem Maße Fachwörter aus der Musiktheorie. Dabei kamen Begriffe vor, die ich noch nie gehört habe. Zum Glück gibt es ja Google ;) Unterhaltungen werden teilweise in Solfège geführt, was eine Ton-Lehre ist.  

 

Die ganze Stadt ist Musik.

Seite 14

 

Diesen Satz könnte man auch auf das gesamte Buch anwenden. Die Leute singen, es erklingen ständig und überall Melodien und Instrumente. Eine wirklich tolle und außergewöhnliche Idee, die aber sicherlich nicht bei jedem Leser auf Gegenliebe stoßen wird. Ich liebe Musik, hatte aber auf Grund der vielen Fachbegriffe große Schwierigkeiten, der Geschichte als solches zu folgen. Ein anderes Beispiel:

 

Ich nicke, bleibe aber tacet.

Seite 15

 

Allein solch ein kleiner Satz wurde zum Stolperstein, weil ich erst einmal hinter die Bedeutung dessen kommen musste. Tacet ist übrigens, laut Wikipedia, eine Spielanweisung in der Musik. Dann gibt es auch Vergleiche, wie mein Herz schlägt wie ein Tamborin – damit konnte ich schon eher umgehen.

Obwohl die Story in der personalen Erzählform geschildert wird, konnte ich keine Verbindung zu den Charakteren aufbauen. Sie erschienen mir allesamt durchscheinend, waren für mich nicht greifbar. Hätte ich den Klappentext nicht gelesen, hätte ich über 40 Seiten lang nicht einmal den Namen des Protagonisten gewusst!

 

Anna Smaill konnte mich mit ihrem Debütroman Der Klang der Erinnerung nicht richtig abholen. Ihr Einfallsreichtum hinsichtlich der Musik war nicht zu stoppen, macht es aber einem Leser ohne entsprechende Fachkenntnisse sehr schwer, der Geschichte zu folgen. Der kreierte Weltenentwurf und die musikalische Umsetzung machen das Buch außergewöhnlich – gar keine Frage. Ich habe im Vorfeld sehr gehofft, dass es mich begeistern wird, aber dem war leider nicht so. Wenn ich ständig bei Google nachschauen muss, was dies und jenes überhaupt bedeutet, wird die Lesefreude ganz schnell zum Lesefrust… Die Geschichte vor der Kulisse Londons spielen zu lassen, war für mich dagegen ein Volltreffer. Mit dem typischen Wetter und auftauchenden Pferdekutschen wurde der Story etwas „Normales“ vermittelt. Einen Einblick in Simons Erinnerungen zu haben, gefiel mir ebenfalls gut. Warum Worte wie „Lehre“ und „Polizei“ hier plötzlich mit Doppelkonsonant oder Doppelvokal geschrieben wurden, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Beabsichtigt war es anscheinend aber schon. Für mich war das Buch leider gar nichts, aber es wird sicherlich seine Liebhaber finden. Daher vergebe ich 3 von 5 möglichen schwarzen Katzen.

 

 

Zum Autor

 

Anna Smaill, wurde 1979 in Auckland geboren. Sie studierte Literaturwissenschaft und Kreatives Schreiben; verbrachte einige Jahre in Tokio und London, wo sie auch promovierte und als Dozentin für Kreatives Schreiben arbeitete. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter an der Südküste Wellingtons. Der Klang der Erinnerung ist ihr Debütroman.

 

 

352 Seiten

übersetzt von Katharina Hinderer

ISBN 978-3-03880-006-4

Preis: 21 Euro

 

© Cover und Zitatrechte liegen beim Verlag

 

An dieser Stelle möchte ich mich noch recht herzlich beim Verlag für die Bereitstellung dieses Exemplars bedanken!