Rezension

Ein beeindruckender Roman

Wären wir Vögel am Himmel -

Wären wir Vögel am Himmel
von Erin Litteken

Bewertet mit 4.5 Sternen

Dieser beeindruckende Roman beruht (wie ich beim Lesen schon vermutet habe, was aber erst im Anhang ab Seite 404 bestätigt wird) auf Erzählungen der Urgroßmutter, der Großeltern und anderer Verwandter der amerikanischen Autorin Erin Litteken. Die Familie stammt aus der Ukraine, die zum Teil unter polnischer, zum anderen Teil unter sowjetischer Besatzung stand und im Sommer 1941 von der deutschen SS und der Wehrmacht besetzt wurde.

Wesentliche Teile der Handlung werden aus Sicht der Jugendlichen Lilija erzählt, die wie auch die anderen Personen nicht wirklich existiert hat. Trotzdem bekommt der Leser den Eindruck, dass alles so gewesen sein könnte. Litteken schildert das tägliche Leben der Betroffenen, ihre Gefühle, die Hoffnung, dass durch den Rückzug der vorher grausam herrschenden Roten Armee alles besser wird, was sich als tragischer Irrtum erweist. Sie beschreibt den verzweifelten Versuch, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren und je nach ethnischer Herkunft bzw. politischer Einstellung für die eine oder andere Seite zu arbeiten und zu kämpfen, teilweise im Untergrund. Wird jemand beim Sabotageakt erwischt, werden zur Strafe Häuser und ganze Dörfer abgebrannt. Wie verworren die Verhältnisse sind, zeigt Lilijas Familie. Der Bruder wird von Russen erschossen, die Mutter von Deutschen und der Vater von Polen, so dass sie bei ihrem Onkel und ihrer Tante auf einem kleinen Bauernhof aufwächst.

Lilija verliebt sich ausgerechnet in einen Polen, wird aber wie über zwei Millionen ukrainische junge Frauen, Männer und Kinder zusammen mit ihrem Cousin als Zwangsarbeiterin im Viehwaggon nach Leipzig deportiert. Unterwegs lernt sie die Dreizehnjährige Halya kennen, und die Drei versuchen mehr schlecht als recht, das schreckliche Leben mit täglich 14 Stunden Waffenproduktion bei schlechter Verpflegung und der ständigen Gefahr, umgebracht zu werden, zu überstehen.

Nach Kriegsende folgen fast vier weitere Jahre in Lagern, bis es immerhin für Lilija zu einem Happy End kommt.

Neben der bewegenden Handlung gefällt mir, wie Litteken mit viel Empathie die handelnden Personen beschreibt mit ihren Wünschen, Ängsten, Zweifeln, Fehlern, ... Zudem glaube ich besser nachvollziehen zu können, was aktuell in der Ukraine (und anderen Krisengebieten) passiert und was die Menschen dort bewegt.